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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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anders als Honey Belle, die sich wie eine gewöhnliche Hure verkaufte. Honey Belle war nach ihrem Alten geraten, diesem Taugenichts, diesem falschen Fünfziger, der sich für unwiderstehlich hielt.
    Schäbig aussehendes Volk umgab sie, als sie in ihrem wiegenden Gang durch Soho schritt, und sie wußte, daß einige der Rempeleien nicht zufällig waren. Sie warf ihr blondes Haar zurück; sie trug es noch immer lang, trotz der Bemerkung, die dieser Knilch von einem Friseur gemacht hatte: «Meine Liebe, es macht Sie um Jahre älter.» Ihre Haare waren schon immer aschblond und ihr ganzer Stolz gewesen. Sie würde keinen schwulen Londoner Figaro an sich ranlassen. Sie brauchte sie nur hochzustecken, mit ein paar Kämmen festzuhalten, und schon sah sie aus wie eine Königin.
    Amelia hatte genug von den Stripteaselokalen, den Pornokinos und den billigen Chinarestaurants. Andererseits wollte sie verdammt sein, wenn sie mit diesen Idioten von der Reisegruppe auch nur ein weiteres Theaterstück absitzen würde oder wenn sie sich in ihrem Zimmer in diesem versnobten Hotel einsperren ließe. Die weißen Handschuhe, die Verbeugungen und das ganze Herumscharwenzeln. Sie war zwar froh, daß James C. Geld hatte, aber sie war kein Snob. Froh über das Geld, aber, du lieber Gott, wenn er nur nicht diese beiden Kinder hätte. Es waren nicht einmal seine eigenen Kinder, das machte die Sache besonders unverständlich. Mitunter fragte sie sich, was wohl mit dem Jungen passiert war. Sie hoffte, er würde einfach wegbleiben. Sie wußte, daß die beiden sie haßten wie die Pest, aber das war ihr egal. Sie hatte James C. und das Geld, und wenn die dachten, sie könnten ihr die Tour vermasseln, dann hatten sie nicht alle …
    Es sah aus, als würde eine Mauer aus lauter Männern auf sie zukommen, dabei waren es nur vier. Und noch bevor sie sie richtig sehen konnten, hatten sie bereits diesen lüsternen Blick. Eine einzige kollektive Lüsternheit und alle möglichen Obszönitäten, ausgesprochen in diesem kehligen Cockney oder was das war, bei dem sie ganze Silben verschluckten («Schau dir mal die Titt’n von ’er an, Jake … Ooooh …»). Sie hatten jedoch kaum Zeit zu dergleichen Bemerkungen, denn Amelias Busen bahnte sich unter Mitwirkung gelegentlicher Rippenstöße mit den Ellbogen bereits einen Weg durch die Mauer. Sie drehte sich auch nicht um, als die Bemerkungen anzüglicher wurden; sie war daran gewöhnt. Sie registrierte den Vorgang kaum, sondern setzte ihren inneren Monolog über Honey Belle fort …
    Als dieser ekelhafte kleine Kerl, der sich als Detektiv ausgab, versuchte, sie zu erpressen, hatte Amelia bezahlt, den Bericht über Honey Belle gelesen und gleich darauf verbrannt. Sie war nie dahintergekommen, wer ihn auf die Fährte des Mädchens gebracht hatte, aber was gäbe es für ein Theater, wenn James C. jemals Wind davon bekäme, was die Kleine getan hatte: Nacktfotos, Pornofilme, einfach alles. Obwohl James C. kein Recht hatte, große Reden zu schwingen: nicht, nachdem sie ihn mit Honey Belle im Schlafzimmer erwischt hatte, die Hosen schon fast runter. Eine streunende Katze, das war sie. Schuld daran war nur ihr Vater; sie ist – war – genau wie er.
    Amelia war nicht nach Soho gegangen, um etwas zu erleben; ihr war einfach nach einem kleinen Bummel zumute, bevor sie sich mit George in einem privaten Club in der Nähe des Berkeley Square Park traf. Von dem wenigen, das sie bisher von London kennengelernt hatte, war der schon eher nach ihrem Geschmack. Er lag in unmittelbarer Nähe des Hotels.
    Vom Gehen erschöpft, winkte sie ein Taxi heran, ließ sich in den Rücksitz fallen und streifte die Schuhe ab. Gott, ihre Füße schmerzten von dem vielen Herumlaufen in dieser Stadt. Sie massierte an ihnen herum. Der Taxifahrer setzte sie am Berkeley Square Park ab, murrte über das Trinkgeld – Sie können mich mal, mein Lieber – und verschwand in der Dunkelheit.
    Du lieber Himmel, diese Briten haben keine Manieren. Nur weil man Amerikaner ist, denken die, man schwimmt in Geld …
    Amelia betrat den Park und summte eine Melodie vor sich hin. Es war natürlich vor ihrer Zeit gewesen, aber gab es da nicht dieses alte Lied, in dem eine Nachtigall im Berkeley Square Park singt? So um den Ersten Weltkrieg. Hatte es nicht ihr Pa manchmal gesungen? Amelia hörte Vogelgezwitscher und blieb stehen, um in das pechschwarze Geäst der Bäume hochzuschauen. Auf einer Parkbank am Weg lag ein Betrunkener und schnarchte, eingewickelt in

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