Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
Vom Netzwerk:
blutverschmiertes Blatt Papier hoch, die erste Seite des Programms.
    «Was ist das?» fragte Wiggins.
    Jury las einen Vers vor: «‹Staub legte sich auf Helens Lider.›»
    «Ist das der letzte Vers des Gedichts?» fragte Wiggins.
    «Nein. Es gibt noch zwei.»
     
    Farraday bewahrte mit Mühe die Fassung, als Jury ihm die Hiobsbotschaft überbrachte. Er erinnerte Jury an einen Felsvorsprung, den der stete Wellenschlag immer tiefer aushöhlte. Die Frage war nur, wie lange es noch dauern würde, bis er zusammenbrach. Offensichtlich war es noch nicht soweit.
    Penny Farraday wich ins Dunkel zurück, drehte sich dann um und lief ins Badezimmer. Jury hörte, wie sie sich erbrach. Gern hätte er ihr geholfen; aber er war vollauf mit Farraday beschäftigt.
    Mit so blutleerem Gesicht, als wäre er unters Messer gekommen, führte Farraday das Brandyglas, das ihm Jury gereicht hatte, zum Mund. Seine Hand zitterte heftig. Er bewegte die Lippen. Schließlich brachte er hervor: «Wann ist es passiert?»
    «Vergangene Nacht, nicht allzu spät, meint der Arzt. Vermutlich gegen Mitternacht.»
    «Warum hat es so lange gedauert –?» Seine Stimme versagte.
    Jury sprach die Frage zu Ende. «Bis man ihre Leiche gefunden hat? Der Täter, wer auch immer es gewesen ist, hat sie sehr gut im Gebüsch versteckt. Eine Frau, die ihre beiden Hunde spazierenführte, hat sie gefunden. Aber auch sie wäre daran vorbeigelaufen, wenn nicht die Hunde im Gebüsch herumgeschnüffelt hätten. Wir waren erst kurz vor zehn am Tatort.»
    Farraday schien sich schon längst nicht mehr für diese Erklärung zu interessieren. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht wie jemand, dem die Augen weh tun, weil er zu lange in die Sonne gestarrt hat.
    Jury schoß es durch den Kopf, daß Farraday verdammt überzeugend wirkte, falls er ihnen etwas vorflunkerte. Wer auch immer hinter den Morden steckte, er hatte den Kreis der Verdächtigen verkleinert. Ein schrecklicher Gedanke. Aber es kam doch wohl nur jemand in Frage, der zu dieser Reisegruppe gehörte? Es sei denn, es verfolgte sie ein Jury völlig Unbekannter.
    «Meinen Sie, Sie können darüber sprechen? Oder wäre es Ihnen lieber, wenn ich später wiederkäme?»
    Statt ihm zu antworten, drehte Farraday den Kopf in Richtung der Tür, durch die Penny verschwunden war. «Wie wird es Penny gehen?»
    «Wenn Sie möchten, hole ich sie –»
    «Nein, nein. Hören Sie. Da Sie es sowieso herausfinden werden, ist es besser, Sie erfahren es von mir. Zwischen Amelia und mir standen die Dinge nicht zum besten.»
    Das hieß, sie stanken zum Himmel. Jury nahm die Flasche von dem Tisch neben dem Sofa und füllte Farradays Brandyglas wieder auf.
    «Danke.» Er trank einen Schluck, und etwas Farbe kehrte in sein aschgraues Gesicht zurück. «Ich wollte, daß sie vergangene Nacht zu Hause bliebe. Mit mir essen ginge, vielleicht zu Simpson, und dann einfach nach Hause. Aber sie wollte nicht.» Er räusperte sich. «Warum nicht?»
    «Amelia sitzt nicht gern einfach herum …»
    Jury wollte nicht laut aussprechen, was er dachte: Nicht einmal nach der Ermordung der eigenen Tochter?
    Farraday tat es statt dessen. «Mein Gott, man könnte annehmen, daß nach dem, was mit Honey Belle –?» Er schüttelte den Kopf und flüsterte: «Gott ist mein Zeuge, ich glaube, es war ihr scheißegal. Oh, ich weiß, daß ihr Jimmys Verschwinden egal ist. Sie hat aus ihrem Herzen keine Mördergrube gemacht, was Penny und ihn betraf. Aber Honey Belle – das ist ihr eigenes Fleisch und Blut. Ich verstehe das nicht, ich verstehe das einfach nicht.»
    «Glauben Sie, daß sie vielleicht nicht nur gelangweilt war, sondern aus einem bestimmten Grund ausgegangen ist?»
    Farraday sah auf. «Ein Mann, meinen Sie?»
    Jury nickte unglücklich.
     
    «Mr. Plant?» sagte die junge Frau an der Rezeption von «Brown’s Hotel». «Ich glaube, er hat das Hotel mit dem Herrn aus Zimmer» – sie ließ ihren Blick so schnell über die Kartei gleiten, daß es Jury vorkam, als hätte sie sich gar nicht abgewandt – «aus 106 verlassen. Ein Mr. Schoenberg.» Sie lächelte. Sie war außergewöhnlich hübsch.
    «Wissen Sie zufällig, wann sie gegangen sind?» Jury erwiderte ihr Lächeln.
    «Nun, ich glaube, so gegen neun.»
    Jury wünschte sich, alle Hotelangestellten könnten genauso exakt über das Kommen und Gehen ihrer Gäste Auskunft geben. «Vielleicht haben Sie es schon gehört. Es hat einen bedauerlichen Unfall gegeben.»
    Daß sie davon gehört hatte, verriet nur

Weitere Kostenlose Bücher