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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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entspannen.» Beim Blättern stieß Jury einen leisen Pfiff aus.
    Sie versuchte, über seine Schulter zu spähen. Schnell schlug er die Zeitschrift zu. «Tut mir leid.»
    «Wenn das keine Erpressung ist!» Während der Kellner frischen Tee servierte und Jury eine Tasse brachte, schwiegen sie. «Also gut, und was ist dabei, wenn Cyclamen sich auf diese Weise amüsiert? Es steht mir nicht an, darüber die Nase zu rümpfen, doch ich begreife einfach nicht, wie sie – besonders nicht die Sache mit dieser Bracegirdle. Ausgesprochen langweilig. Ich frage mich, wer von den beiden die, na, Sie wissen schon, und wer …? Nun, so etwas passiert ständig, und niemanden kümmert es. Schauen Sie sich bloß diesen Honeycutt an. Dieser Idiot. Jedem das Seine.»
    Jury gab ihr die Zeitschriften. «Ihre Nichte und Miss Bracegirdle hatten die Angewohnheit, sich von Zeit zu Zeit aus dem Staub zu machen. Haben die beiden sich in Stratford überhaupt ein einziges Theaterstück angesehen?»
    «Nicht daß ich wüßte. An dem fraglichen Abend dachte ich, Cyclamen hätte sich mit Kopfschmerzen ins Bett gelegt, aber genau weiß ich das natürlich nicht. Hören Sie, worauf wollen Sie hinaus?»
    «Eigentlich nichts.» Er hätte ihr die Zeitschriften vielleicht erst geben sollen, wenn er mit ihr fertig war; sie hatte Jury vergessen und sah sich das doppelseitige Foto in der Mitte an. «Mit anderen Worten, sie könnte an dem Abend, als Gwendolyn Bracegirdle ermordet wurde, ausgegangen sein, und ebenso gestern abend, Lady Dew?»
    «Ah? Oh! Ja, das nehme ich an. Keine von uns beiden hat ein Alibi.» Sie schien die Sache sehr komisch zu finden. «Noch unverheiratet. Hm. Wie alt sind Sie, mein Junge?»
    «Dreiundvierzig. So jung also auch wieder nicht.»
    «Ha! Warten Sie ab, bis Sie zweiundsechzig werden wie ich. Dann ist dreiundvierzig ein jugendliches Alter.»
    Selbst wenn er ihre Pässe nicht gesehen hätte, so hätte Jury doch geschwant, daß sie über achtzig sein mußte.
    In diesem Augenblick jedoch fühlte er sich sehr alt.
     
    Penny Farraday stopfte sich den Hemdzipfel in ihre Jeans und strich sich die Haare glatt.
    «Penny, das ist Detective Sergeant Wiggins von der Kriminalpolizei.»
    Sie streckte die Hand aus. «Freut mich.»
    «Guten Tag, Miss.»
    «Tut mir leid, Penny, aber wir müssen dir ein paar Fragen stellen. Du bist gestern abend mit Mr. Farraday und Cyclamen Dew im Theater gewesen?»
    «Ja, stimmt», sagte sie matt. Sie nahm sich eine Zeitschrift und blätterte darin herum.
    «Um wieviel Uhr seid ihr zurückgekommen?»
    «Halb elf oder elf. Amelia –» nur für einen Augenblick erstarrte ihre Hand beim Umblättern einer Seite – «wollte erst auch mitkommen; als wir aber vor dem Theater standen, hatte sie es sich anders überlegt und sagte, sie wolle lieber ein bißchen Spazierengehen. Ich glaube, der Alte war ziemlich wütend. Kann man ihm auch nicht verdenken.» Nervös warf sie die Zeitschrift auf den Tisch. «Es wurde Der Wechselbalg gespielt. Es war gut. Wissen Sie, was ein Wechselbalg ist?» Trotz Jurys Nicken fuhr sie fort: «Ein Wechselbalg ist, wenn man ein falsches kleines Kind anstelle des richtigen unterschiebt.» Sie runzelte die Stirn und setzte ihre Erklärung mit einem Vergleich fort: «Wie wenn jemand Kinder stiehlt und so tut, als gehörten sie ihm. Es ist nicht ganz dasselbe wie adoptieren.»
    Jury merkte, wohin das führen würde. Er mußte sie hier unterbrechen. «Ist Mr. Farraday gestern abend noch ausgegangen?»
    «Ja. Aber wenn Sie denken, er war’s, dann spinnen Sie. Der würde so was nie tun. Niemals.»
    «Du scheinst dir ja ziemlich sicher zu sein.»
    «Bin ich auch. Das heißt aber noch lange nicht, daß ich mit allem einverstanden bin, was er tut –» fügte sie schnell hinzu.
    «Was ist mit Miss Dew?»
    Sie zuckte die Achseln. «Ich nehme an, sie ist schlafen gegangen.»
    «Hast du ihre Tante gesehen? Oder sonst einen von der Gruppe? Cholmondeley, Schoenberg?»
    Die Hände hinterm Kopf verschränkt, schaute sie zur Decke. «Nö. Dieser blöde Harvey war auf der anderen Seite des Flusses … er meinte, er wolle sich die Kathedrale in Southwark ansehen.»
    «Aber das muß doch früher gewesen sein.»
    «Vermutlich.» Penny stützte den Kopf auf eine Hand. Es war schwer zu sagen, ob sie wegen Amelia betroffen war oder ob sie die Fragerei einfach nur langweilte. Als sie aber schließlich zu Jury aufsah, wußte er, was der ängstliche Blick zu bedeuten hatte. «Was ist mit Jimmy? Niemand sucht mehr

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