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Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Titel: Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matha Grimes
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nahm etwas in die Hand, was wie ein Miniaturbaumstumpf aussah, dunkel und roh behauen, irgendein Stück Holz oder eine dicke Baumranke, durch die man sich im Regenwald des Amazonas einen Weg freihacken musste. Was zum Teufel hatte das Ding auf dem Couchtischchen zu suchen? Der Tisch selbst besaß eine Glasplatte, die eine in einer unübersetzbaren Sprache dicht beschriebene Urkunde zu beherbergen schien. Und jetzt kam die Wiggins-Verteidigungsstrategie ins Spiel: Er würde sich weigern, danach zu fragen.
    Angela Riffley war mit einem Kaffeetablett wieder da, und Jury erhob sich, um ihr behilflich zu sein.
    »Sie können aber auch gern etwas Stärkeres haben.«
    Er lächelte. »Kaffee ist schon in Ordnung.«
    »Na, dann kann ich aber gern was Stärkeres haben.« Sie schenkte ihm seinen Kaffee ein, überließ ihm Zucker und Sahne und begab sich zu einem Getränketischchen, wo sie ein paar Fingerbreit Glenlivet mit Eis auffüllte.
    »Eis in Drinks scheint heute ja in Mode zu sein, ich verstehe allerdings nicht, warum.«
    Während sie an ihren Platz auf dem Sofa zurückkehrte, sagte sie: »Ziemlich dekadent, nicht?«
    »Dekadent nicht, es schmilzt einfach, das ist alles. Miss Riffley, ich bin hier wegen Billy Maples.«
    »Mrs. bitte, und ich bin wegen Billys Tod natürlich völlig erschüttert.«
    Interessant, ihr Familienstand kam vor der Erschütterung.
    »Verzeihung. Ich hatte den Eindruck, Sie wären ledig.«
    »Hm, natürlich. Das war ich aber nicht immer. Die kleine Sammlung da an der Wand stammt von meinem Exmann.« Sie steckte eine Zigarette in eine Jadespitze und lächelte. »Norman war ein ganz schöner Abenteurer, und ich auch, wenngleich in bescheidenerem Maßstab.«
    »Das waren Safaris, nehme ich an?«
    Sie lachte. Es hörte sich ein wenig an wie die Eiswürfel, die in ihrem Drink klackerten. »Das waren Safaris, ja.«
    Sein Blick wanderte zu dem Zebrakopf hinauf. Das Tier tat ihm ganz besonders leid. »Und wieso das Zebra?«
    »Wieso überhaupt das Ganze? Es waren Mitbringsel.«
    »Dann haben Sie Ihren Mann also nicht begleitet?«
    »Aber selbstverständlich. Ich wollte mich doch aus dieser männlichen Enklave nicht ausschließen lassen.«
    »Beim Anblick dieser Wand kam mir Hemingway in den Sinn.« Er neigte den Kopf in die Richtung, als bestünde Uneinigkeit darüber, wo die »Mitbringsel« hingen.
    »Ach, ja, Ernest. Wir kannten ihn. Entfernt zwar, aber wir kannten ihn. Ich meine, meine Familie, mein Vater. Ich war in dem Sommer damals in Paris noch ein Kind, kann mich aber erinnern, wie wir im Café Flore an einem Tisch saßen und Ernest am Nebentisch mit einem Freund, der Geschichten erzählte und ihn wahnsinnig zum Lachen brachte. Vielleicht war es Scott Fitzgerald, keine Ahnung. Und danach –«
    Sie sprang von einem Thema zum nächsten: von den Stars hin zu denen, die in ihrem Lichtkreis standen, von der Provence zu den Alpenhöhen, von tosenden Gewässern und Inseln im Kaspischen Meer zu einem Stamm von Wilden auf Borneo, worauf Jury den Blick wieder auf die Wand mit den missgestalteten braunen Objekten richtete.
    Sie hatte anscheinend alles erlebt, was es zu erleben gab. Außer vielleicht einen Mord begangen. Hatte sie womöglich Billy umgebracht? Gewundert hätte es ihn nicht. Er war sich sicher, dass sie dazu imstande gewesen wäre. Gut möglich, dass sie diese verschrumpelten Dinger an der Wand nicht selbst erstanden hatte, aber es störte sie anscheinend nicht im Mindesten, sie zur Schau zu stellen. Wenn sie schon kein Mensch wie Kurtz war, jener skrupellose Elfenbeinhändler in Joseph Conrads Herz der Finsternis , so war sie aber auch kein skeptischer Marlow, der sich um den Zusammenbruch, das Zerbröckeln der Zivilisation Sorgen machte. Mrs. Riffley wäre höchstens darüber besorgt, wo sie inmitten der Trümmer zu sitzen käme.
    Nein, Angela Riffleys Inszenierung war durchaus von der mysteriösen, exotischen Sorte, und die Unterhaltung hatte für sie hauptsächlich den Zweck, die Aufmerksamkeit ihres Gesprächspartners zu fesseln. Wenn sie das Gefühl hatte, dass das Interesse an ihr erlahmte, sprang sie in gefährlichen Gewässern einfach von einem glatten Felsen zum nächsten. Sie riskierte in der Tat eine ganze Menge, unter anderem auch, dass man ihr keinen Glauben schenkte. Für jemanden wie Mrs. Riffley, deren Leben eine einzige Anekdote war, konnte dies in ein Desaster ausarten.
    Hatte Billy Maples bezüglich dieser Frau etwa ernste Absichten gehegt? Durchaus möglich. Sie war

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