Inspektor Jury lichtet den Nebel
Lehrerin, die potthäßlich war. Sie unterhielten sich lange, und Tess begriff jetzt, warum die Vermittlung so selten abnahm: Sie schwatzten die ganze Zeit mit Leuten.
Die Katze gähnte und sprang vom Tisch, und Tess wußte, sie wollte Frühstück haben und würde in die Küche gehen. «Ich muß jetzt auflegen. Ich möchte nicht, daß Sandy, unsere Katze, in die Küche geht.» Tess hängte auf.
Rose Mulvanney lag mit verrenkten Beinen und in einem blutgetränkten Kleid unter dem Küchentisch. Überall Blutspritzer: auf dem Fußboden, auf den weißgetünchten Wänden, sogar auf den dunklen Balken der niedrigen Decke.
Teresa Mulvanney überlegte, wie das Blut dorthin gekommen sein mochte. Sie stand da und schüttelte unaufhörlich den Kopf, aber dann vergaß sie alles, ihr Verstand verwirrte und trübte sich. Sie schloß die Augen und kratzte sich am Ellbogen. Sie hatte wohl wieder einmal eine schlechte Nacht, wahrscheinlich träumte sie bloß. Vielleicht war es nur Farbe oder Tomatenketchup. Rose, ihre Mutter, hatte ihr erzählt, daß man den immer beim Film nahm. Tess kniff fest die Augen zu und sagte zu ihrer Mutter, ist ja gut, aber jetzt kannst du aufstehen. Es war ein Spiel und sowieso alles nur ein Traum. Sogar das Brr-brr des Telefons und die Sirene in der Ferne, die sich nach dem Martinshorn eines Krankenwagens anhörte: Es fühlte sich an, als handele es sich um die Machenschaften dunkler Gestalten im Nebel. Und Teresa summte ein Lied, das Rose Mulvanney ihr vorgesungen hatte, als sie noch ganz klein war.
Sie vergaß, die Katze zu füttern.
Als Detective Inspector Nicholson und Sergeant Brian Macalvie von der Devon/Cornwall-Polizei das kleine Cottage in Clerihew Marsh betraten, summte Teresa Mulvanney vor sich hin. Und schrieb mit dem Blut ihrer Mutter ihren Namen auf die weiße Wand.
So etwas hatte Brian Macalvie noch nie im Leben gesehen, und er würde es nie vergessen. Damals war er dreiundzwanzig und wurde von allen für den besten Kriminalbeamten der Polizei von Devon und Cornwall gehalten. Selbst Macalvies Feinde dachten so. Er nahm nur ungern Befehle entgegen und wurde ständig befördert. Andauernd redete er von seinen schottisch-irisch-amerikanischen Vorfahren und hätte England lieber heute als morgen den Rücken gekehrt.
Auch als die Akte über den Mordfall Rose Mulvanney längst offiziell geschlossen war, beschäftigte er sich noch damit. Drei Monate nach dem Mulvanney-Mord hatte man einen jungen Medizinstudenten, der in Clerihew Marsh wohnte und an der Universität Exeter studierte, verhaftet, der unschuldig war, wie Macalvie beharrte. Man hatte ihn aufgrund von fadenscheinigen Beweisen festgenommen, ein reiner Indizienprozeß. Der Angeklagte war leidenschaftlich in die fünfzehn Jahre ältere Rose Mulvanney verliebt gewesen. Man hatte auf das Motiv Eifersucht geschlossen.
Zur gleichen Zeit klärte Macalvie ganze sechs weitere Fälle auf, so daß der Divisional Commander nicht recht wußte, auf welcher Grundlage er ihm den Fall Mulvanney entziehen sollte. Macalvie ersetzte eine ganze Polizeitruppe. Wenn er ins Laboratorium kam, hielten sich Pathologen und Assistenten an ihren Mikroskopen fest. Macalvie behauptete, die Leutchen vom Erkennungsdienst könnten nicht einmal einen Stiefelabdruck auf einem Krankenhauslaken finden. Und das gesamte Ressort sei nicht dazu in der Lage, am Weihnachtstag einen direkt vor dem Polizeipräsidium in Moorcombe abgestellten Rolls-Royce aufzufinden.
Als ihm der Divisional Commander dann befahl, den Fall Mulvanney endlich zu vergessen, warf Macalvie seine Polizeimarke auf den Schreibtisch und sagte: «Ich kündige!» Er hatte die Tür noch nicht erreicht, da änderte sich der Ton seines Vorgesetzten. Solange die Mulvanney-Sache Macalvie nicht von seinen anderen Pflichten abhielte …
«Sagen Sie das Sam Waterhouse», sagte Macalvie und ging.
Sam Waterhouse war der Medizinstudent, den man ins Gefängnis von Dartmoor gesteckt hatte. Lebenslänglich, vielleicht würde er mit Bewährung eher rauskommen, da er nicht vorbestraft war und der Mord an Rose Mulvanney als crime passionnel angesehen worden war.
Die Polizei von Devon und Cornwall hatte Macalvies Zorn tüchtig zu spüren bekommen: Sie hatte das Leben des jungen Mannes und möglicherweise eine brillante Karriere zerstört.
Und wenn sich einer mit brillanten Karrieren auskannte, dann Brian Macalvie.
Der Weiler Clerihew Marsh bestand aus ein paar gedrungenen Cottages, die sich
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