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Inspektor Jury lichtet den Nebel

Inspektor Jury lichtet den Nebel

Titel: Inspektor Jury lichtet den Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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gelegen für einen Mord.

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    R ILEYS F LEISCH - UND W ILDSPEZIALITÄTEN . Superintendent Richard Jury und Detective Sergeant Alfred Wiggins sahen im Schaufenster vor baumelnden Fasanen ihr Spiegelbild. Der Laden hatte – laut Aushängeschild – die Lizenz, Wild zu verkaufen. Ein junger und ein älterer Mann bedienten die Frauen, die mit Körben und Einkaufsnetzen bewaffnet im Laden Schlange standen. Nach der Beschreibung, die man Jury gegeben hatte, mußte der ältere Mann Albert Riley sein, der Vater des Jungen. Der Mord war erst zwei Tage zuvor geschehen, und am nächsten Tag sollte die Beerdigung sein. Jury wunderte sich ein wenig darüber, daß Riley trotzdem arbeitete.
    Es schien eine besonders starke Nachfrage nach bestem britischem Rindfleisch oder aber einen Versorgungsengpaß zu geben, denn die Frauen straften Jury und Wiggins mit strengen Feldwebelblicken, als die beiden direkt zum Tresen gingen. Allgemeines Gemurre setzte ein, man fragte die beiden, ob sie denn blind seien, und wollte sie ans Ende der Schlange schicken.
    Jury zückte seinen Ausweis, und der junge Mann wurde so weiß wie der fleckenlose Teil seiner Schürze. Dann drehte er sich zu seinem Meister um, der gerade dabei war, rasch und sachkundig Koteletts von Fett zu befreien. Makaber, aber als Jury das sah, mußte er unwillkürlich an die Autopsie von Rileys Sohn denken. Riley erstarrte und hielt das Messer vor sich in der Luft fest, als sein Gehilfe ihn auf die Beamten von Scotland Yard aufmerksam machte.
    Er überließ dem jungen Mann die Koteletts, während die Frauen hinter Jury und Wiggins die Neuigkeit weitergaben wie Feuerwehrmänner ihre Wassereimer. Scotland Yard. Wahrscheinlich werden Rileys Fleisch- und Wildspezialitäten heute besonders gefragt sein, dachte Jury. In der Regel brachten Mordfälle so etwas mit sich.
     
    Simons Vater wischte sich mit einem Lappen die Hände ab und befreite sich von seiner Schürze. Durch seine dicken Brillengläser wirkten seine kleinen Augen noch kleiner und sein rundes Gesicht noch runder. Er sprach leise und verschüchtert, und es war ihm sichtlich unangenehm, daß man ihn, den engsten Verwandten Simons, bei der Arbeit «ertappt» hatte. Der messerschwingende Meister war, kaum daß er das Messer aus der Hand gelegt hatte, ein absoluter Niemand.
    «Gestern war geschlossen», sagte er. «Aber ich bin fast verrückt geworden, immer nur im Zimmer auf und ab, und dann meine Frau, also Simons Stiefmutter, die mir die Ohren volljault.» Während er das sagte, führte er sie zu einer Tür hinten im Laden. «Auf Sie mag das kaltblütig wirken, ich und bei der Arbeit –»
    Worauf Wiggins, der ja sonst alles andere als ironisch war, erwiderte: «Ob kalt oder warm, darüber steht uns kein Urteil zu. Hauptsache, Blut.»
    Riley zuckte zusammen und stieg vor ihnen eine Wendeltreppe hoch. «Scotland Yard. Ich hab zu meiner Frau gesagt, sie soll das mit ihrem Bekannten, diesem Staatsanwalt, sein lassen. Hab gesagt, die Polizei von Dorset kommt schon allein zurecht. Andererseits können die natürlich immer Hilfe brauchen. Wir wohnen in der Wohnung über dem Laden. Wir haben noch ein anderes Haus, aber das hier ist praktischer. Meine Frau macht uns sicher ein Täßchen Tee. Ich könnte allerdings gut was Stärkeres vertragen.»
     
    Mit «was Stärkeres» meinte Riley Jameson’s, wie sich herausstellte, und Rileys Frau machte keinerlei Anstalten, Tee zu kochen. Zwar war es Mittagszeit, aber ihr war mehr nach Whisky als nach Lunch oder Tee. Sie kippte ihr Gläschen mit ruhiger Hand, die ihres Mannes zitterte allerdings wie bei einem Spastiker. Als Riley die Brille abnahm und sich den Nasenrücken rieb, sah Jury, daß er rotgeränderte Augen hatte, wohl vom Weinen. Mrs. Rileys Augen waren auch rot, doch es sah aus, als sei das eher auf den Schnaps zurückzuführen. Schließlich war sie nicht die leibliche Mutter, und sie schien zu glauben, daß diese Tatsache sie jedweder tränenreichen Trauerbekundung enthob.
    Beth Riley war eine große, aufreizende Frau, der eine schlichtere Frisur besser gestanden hätte als die rotgefärbte Wellenpracht, die ihren Kopf umgab. Sie konnte sich geschickter ausdrücken als ihr Mann, und das, obwohl ihre Zunge schon ziemlich schwer war. Sie durfte dem Jameson’s schon tüchtig zugesprochen haben.
    «Beth mußte ja unbedingt diesen Staatsanwalt aus London einschalten und Sie hinzuziehen …»
    «Gut, daß wenigstens einer von uns jemand Höhergestellten kennt», antwortete Rileys

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