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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Ganze hat sie ziemlich mitgenommen, Agatha.»
    Agatha war unzufrieden. Offensichtlich hatte sie damit ihren eigenen Auftritt vorbereiten wollen: die Schilderung der Rolle, die sie bei dem grausigen Fund gespielt hatte; sie fiel jedesmal etwas bunter aus, die kleine Murch hingegen blieb bei ihrer Version. Wahrscheinlich hatte sie Angst, daß die kleinste Abweichung sie auf die Anklagebank bringen könnte.
    Als Twig ihre Drinks servierte, sagte Matchett: «Melrose, was halten Sie denn von dieser Geschichte?» Jedesmal, wenn er Melrose ins Gespräch zog, klang das so, als habe er ihn gerade wie einen alten Anzug auf der Kleiderstange eines Trödlers entdeckt.
    Melrose starrte auf seine Zigarre. «Ich bin einer Meinung mit Wilde, er sagte, Mord sei ein Fehler, den man nicht begehen sollte. Man sollte generell nichts tun, über das man nicht beim Dinner sprechen kann.»
    «Wie abgebrüht», begann Agatha. Sie wurde jedoch unterbrochen, als Matchett sich erhob, um zwei Gäste zu begrüßen, die in die Bar gekommen waren.
    «Oliver und Sheila.»
    Melrose beobachtete, wie seine Tante ein passendes Lächeln ausprobierte. Sie verabscheute beide, konnte es sich aber nicht erlauben, ihre Abneigung zu zeigen. Was Oliver Darrington betraf, teilte Melrose ihre Gefühle. Sheila hingegen mochte er ganz gerne. Sie wurde zwar beschönigend als Darringtons «Sekretärin» bezeichnet, aber jeder wußte, daß sie seine Geliebte war. Obwohl scheinbar nichts weiter als ein Anhängsel, das Starlet am Arm des Produzenten, vermutete Melrose, daß sie doppelt soviel Grips besaß wie Darrington – kein großes Kompliment, da Darrington überhaupt keinen hatte. Sie konzentrierte sich vor allem darauf, eine gute Figur zu machen, die zusammen mit ihrem Gesicht auch einen sehr erfreulichen Anblick bot. Sie war zwar nicht gerade Melroses Typ, aber er konnte verstehen, daß viele Männer auf sie flogen. Ihm gefiel es, wenn ihn eine Frau aus hellen, klaren Augen anblickte – aus Augen wie Vivian Rivingtons. Sheilas waren jedoch so stark geschminkt, daß er häufig den Eindruck hatte, einem sehr hübschen Pandabär ins Gesicht zu schauen.
    Sheila und Oliver zogen sich Stühle heran, warfen ihre Mäntel darüber und schienen nur noch auf ein Stichwort zu warten, um über das Thema zu reden, das Melrose bereits zum Hals heraushing.
    «Oliver hat eine Theorie», sagte Sheila.
    «Nur eine?» fragte Melrose und starrte auf den Elch über der Bar, dessen rissige, weiße Lippen aus Gips dringend reparaturbedürftig waren.
    «Eine wahnsinnig schlaue», sagte Sheila. «Hör dir das an.»
    Melrose zog es vor, den Elch zu studieren.
    «Findest du das nicht, Mel?» Sheila stieß ihn an.
    «Was soll ich wie finden?» Melrose gähnte. Sein Magen knurrte.
    Sheila schmollte. «Ich spreche von Olivers Theorie. Über die Morde. Hast du nicht zugehört?»
    «Achten Sie nicht auf ihn», sagte Lady Ardry, ihren Fuchspelz zurechtrückend. «Er hört nie zu.» Melrose hatte den Eindruck, die kleinen Glasaugen des Fuchses blickten ihn hilfesuchend an. Zuerst der Elch und jetzt der Fuchs – hatte er sich in einen Tierliebhaber verwandelt?
    Ohne sich darum zu kümmern, ob es ihn interessierte oder nicht, lehnte sich Sheila über den Tisch und unterbreitete ihm Olivers Theorie. «Er meint, es ist einer, der was gegen Long Piddleton hat, dem durch die Stadt ein Unrecht zugefügt wurde. Eine Wunde, die so lange schwärte, bis er schließlich den Tag seiner Rache gekommen sah.»
    «Warum hat er seinen Sheriffstern nicht einfach in den Dreck geworfen?» fragte Melrose und klopfte die Asche von seiner Zigarre. «Gary Cooper hat das getan.» Melrose war ein Western-Fan.
    Sheila blickte ihn verblüfft an, und Olivers smartes kleines Lächeln verschwand.
    «Ich sagte Ihnen doch, achten Sie nicht auf ihn, Sheila. Tun Sie so, als wäre er nicht da», sagte Agatha und bestellte sich noch einen rosa Gin.
    Aber Sheila ließ nicht locker. «Oliver schreibt nämlich ein Buch. Eine Art fiktiver Dokumentarbericht über solche Dinge –»
    « Solche Dinge?» erkundigte sich Melrose höflich.
    «Na ja, über besonders seltsame Mordfälle –»
    «Schon gut, Sheila, verrat nicht alles», sagte Darrington. «Du weißt, ich red nicht gern über das, was ich gerade schreibe.»
    Agatha starrte grimmig vor sich hin. In Long Piddleton war Darrington ihr größter Konkurrent, da er schon seit einigen Jahren einen gewissen Ruf als Autor von Kriminalromanen genoß. Mit seinem Ruf (wie sie zu ihrem großen

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