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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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meinen Christstollen – es gibt so viele Bestellungen, übermorgen ist ja auch schon Weihnachten, und –» Sie verstummte, als sie Jurys Frühstücksgäste bemerkte. «Das sind doch die Doubles. Wo haben Sie denn die aufgelesen?» Ohne Jurys Antwort abzuwarten, fuhr sie fort, «ich weiß, Sie sind wegen dieser schrecklichen Morde hier –»
    Als hätten sie plötzlich bemerkt, daß sie mit Kuchen und Schokolade in das Café gelockt worden waren, tauschten die Doubles ein paar kurze Blicke aus und sprangen auf. «Wir müssen gehn. Wirklich. Unsere Mammi wird sonst fuchsteufelswild», sagte James und entfernte sich ein paar Schritte vom Tisch. Für James war das eine ziemlich lange Rede. Das Mädchen hatte die Augen immer noch auf den Kuchenteller geheftet. Bevor auch sie weglief, schlich sie noch einmal zu Jury und kniff ihn in den Arm; wahrscheinlich kam das für sie einem Kuß am nächsten. Dann schnappte sie sich das letzte Stück Kuchen von dem Teller und stürzte zur Tür.
    Betty Ball verzog ihren schmallippigen Mund und sagte: «Sie haben sich nicht einmal bei Ihnen bedankt! Diese Jugend von heute!»
    Jury lächelte und wunderte sich über die seltsamen Vorstellungen der Erwachsenen. Dann sagte er: «Miss Ball, wie ich hörte, haben Sie an dem Abend, an dem, hmm, an dem die Leiche gefunden wurde, etwas bei Mr. Matchett abgeliefert. Oder vielmehr kamen Sie schon am Nachmittag.» Sie nickte. «Und Sie gingen durch den Hintereingang?»
    «Ja. Das mache ich immer. Die Küche ist auch hinten.»
    «Ist Ihnen irgend etwas aufgefallen, irgendeine Veränderung?»
    Sie schüttelte den Kopf.
    «Auch nichts an der Kellertür?»
    «Wie ich dem Superintendent schon sagte – ich sah weder Licht im Keller noch sonst was.» Sie drehte sich plötzlich um und rief nach Beatrice, die dann auch hinter dem Vorhang erschien, eine schlaksige, kaugummikauende Halbwüchsige. «Beeil dich, Mädchen! Bring dem Inspektor noch etwas Kaffee. Fürs Rumsitzen und Rumschmökern wirst du nicht bezahlt.»
    Beatrice, die eine entfernte Ähnlichkeit mit Betty Ball aufwies, kam an ihren Tisch geschlendert. Jury ließ sich etwas Kaffee nachgießen, lehnte aber die frischen Brötchen ab, die Betty Ball ihm anbot. Betrübt blickte sie ihn aus ihren zitronatfarbenen Augen an, als wären ihre Backwaren das einzige Bollwerk gegen das Dasein einer alten Jungfer.
    «Es hat doch ziemlich gegossen, Miss Ball? Wie ich hörte, war es ein richtiges Gewitter.»
    «Ja, das stimmt. Allein vom Auto bis zur Küche und wieder zurück wurde ich schon klatschnaß. Haben Sie eigentlich schon mit Melrose Plant gesprochen? Ein kluger Kopf, wirklich, glauben Sie mir.» Jury hörte ihre Lobreden auf Melrose, sah wie ihre Augen aufleuchteten und fragte sich, ob er der Prinz des Aschenbrödels sei.
    Als Jury das Torweg-Café verließ, wies der Platz wieder eine makellose Schneedecke auf. Nur bei genauerem Hinschauen entdeckte er die Spuren, die er und die Kinder hinterlassen hatten, aber wie er an den Eindrücken in seiner Nähe beobachten konnte, schlossen sie sich wie Löcher im Teig. Der Wind hatte sich gelegt und trieb den Schnee nicht mehr vor sich her; die Flocken fielen wieder langsam und gleichmäßig und waren genau so dick und naß wie am Morgen. Jurys Blick fiel auf den Turm der St.-Rules-Kirche, und er beschloß, den Pfarrer etwas später aufzusuchen. Ein langer Spaziergang im Schnee – die anderthalb Kilometer bis zu den Bicester-Strachans und Ardry End – war genau das, was er brauchte. Er dachte an all die frischen Spuren, die er hinterlassen würde.

    Gleich nach dem Ort begann das Land. Die Hecken trugen wilde Bärte aus Schnee und Eis. Wäre er ein Schriftsteller gewesen, hätte er sich bestimmt zu einer Hymne auf englische Hecken hinreißen lassen, auf diese endlos langen Wälle aus Eiben, Heckenrosen oder Blutbuchen, die ein wahres Paradies für all die Pflanzen waren, die der Pflug von den Feldern vertrieben hatte, wie auch für zahllose Vogelarten. Jury seufzte, während er mit seinen nassen, schwarzen Stiefeln weiterstapfte und einen Fasanenhahn aufscheuchte, ein Wirbel aus Grün und Kastanienbraun, der vor ihm in die Höhe schoß. Jurys Gesicht war schon ganz starr vor Kälte, und die Aussicht auf ein prasselndes Kaminfeuer und ein Glas alten Portwein war ihm nicht gerade unangenehm.

    Statt dessen begrüßte ihn die Stimme von Lorraine Bicester-Strachan, die auf ihrer kastanienbraunen Stute thronte. «Wenn Sie wegen der Geschirrspülmaschine

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