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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Teufel tat er in Rackmoor?

3
    Melrose Plant saß an dem einen Ende des dunkel schimmernden Speisezimmertischs, der sich wie ein vom Mond beschienener See vor ihnen ausdehnte; er schien mindestens einen halben Kilometer lang zu sein. Melrose frühstückte gerade, und zwar zunächst weiche Eier mit Butter. Er hatte so lange geschlafen, daß es ihm schon peinlich war, und dann den Butler gefragt, ob er noch eine Tasse Kaffee haben könne. Während der Colonel sich offensichtlich über seinen Besuch freute, war Julian alles andere als erfreut. Es war nicht die Person Melrose, die Julian störte, sondern allein die Tatsache, daß irgendein Neuer auftauchte. Julian hatte mit der Polizei bereits genug am Hals, Wood versicherte Melrose, der Colonel habe darauf bestanden, daß das Frühstück warm gehalten würde. Colonel Crael war zu seinen Hundezwingern nach Pitlochary gefahren, berichtete Wood. Julian Crael machte seinen Morgenspaziergang.
    Melrose kam das ganz gelegen. Er hielt den Colonel für einen großartigen alten Mann, während er Julian nicht besonders mochte – unter anderem, weil er so blendend aussehenden Männern einfach mißtraute. Julian war, was das Aussehen betraf, von der Natur mehr als verschwenderisch bedacht worden. Vielleicht war Melrose aber auch nur eifersüchtig auf seine Jugend, weil er selbst schon Anfang Vierzig war. Aber so jung war Julian auch wieder nicht – wahrscheinlich nur fünf oder sechs Jahre jünger. Aber die Jahre konnten Julian nichts anhaben. Und das fand Melrose unverzeihlicher als alles übrige.
    Als Melrose seinen zweiten Bückling zerlegte, hörte er ein leises Klirren, und Olive Manning, die Haushälterin, kam in das Speisezimmer gerauscht. Melrose hatte angenommen, mit den Brontës und den Geisterromanen wären auch die Schloßfrauen verschwunden, doch nun stand eine leibhaftig vor ihm, den Schlüsselbund am Gürtel.
    «Colonel Crael hat mich gebeten, nachzusehen, ob Sie irgend etwas benötigen. Außerdem soll ich Sie fragen, ob Sie später mit ihm ausreiten wollen.»
    Verdammt, dachte Melrose. Geschah ihm ganz recht, warum hatte er dem Colonel auch von seinem Pferd auf Ardry End erzählt. «Nett von ihm. Wenn nur mein Knie nicht so verflucht weh täte. Muß mir letzte Woche beim Springen eine Sehne verzerrt haben.» (Melrose verfiel immer, wenn er log, in diesen kumpelhaften Jargon. Als müsse er dazu in eine andere Rolle schlüpfen.)
    Olive Manning nickte, verzog aber keine Miene; kaputte Knie schienen nicht in ihr Ressort zu fallen. Sie murmelte jedoch ein paar teilnahmsvolle Worte, die nicht sehr aufrichtig klangen. «Hoffentlich wird Ihr Knie bald besser, sonst können Sie nicht mit auf die Jagd gehen.»
    «Du liebe Güte, wie schrecklich.» Er erhob sich und zog einen Stuhl hervor. «Wollen Sie nicht einen Kaffee mit mir trinken?»
    Sie schien mit sich zu kämpfen, aber nicht, weil sie ihren Platz kannte – Olive Manning wurde beinahe wie ein Familienmitglied behandelt –, sondern weil er ihr irgendwie verdächtig erschien. Melrose würde sein Thema – den Kostümball – vorsichtig einkreisen müssen.
    Das Mißfallen war gegenseitig. Ihm mißfielen ihre verkniffenen Züge, ihr spitzes Kinn, ihre zusammengezogenen Brauen und ihre gespitzten Lippen. Sie schien gegen Gott und die Welt einen unterdrückten Groll zu hegen. Der Kopf mit dem schwarzen Haarschopf saß auf einem dürren, in dunklen Batist gehüllten Körper (bestimmt das Feinste, was es bei Liberty zu kaufen gab). Sie setzte sich – den Kaffee lehnte sie ab – und legte die Hände auf den Tisch. An ihrem Finger steckte ein rosafarbener Topas, an dem selbst ein Pferd erstickt wäre. Offensichtlich nagte im Old House keiner am Hungertuch.
    «Sir Titus sagte, Sie seien Lady Margarets engste … Vertraute gewesen.»
    «Zofe» oder «Hausangestellte» wollte er nicht sagen.
    «Ahh.» Sie sprach diese Silbe sehr weich aus; einen Augenblick lang entspannte sich ihr Mund.
    «Ich habe sie leider nicht kennengelernt. Aber mein Vater, Lord Ardry, hat mir viel von ihr erzählt … er sagte, er hätte nie eine schönere Frau gesehen.»
    Das war offensichtlich die richtige Strategie. Mrs. Manning lächelte beinahe. «Ja, ich hab auch noch keine gesehen, die ihr das Wasser reichen konnte. Ihr Haar glitzerte wie ein Wasserfall, wenn sie es offen trug. Die beiden Jungen, Julian und Rolfe, haben es von ihr geerbt.» Sie wandte den Blick ab. «Rolfe lebt auch nicht mehr, aber das wissen Sie wohl.»
    «Ja, schrecklich,

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