Inspektor Jury spielt Domino
Sie. Wir haben mehr oder weniger das ganze gottverdammte Dorf verhört –» wieder die kleine rote Henne , dachte Jury – «und dann die Spreu vom Weizen getrennt. Übriggeblieben sind diese Namen hier, mit denen sollten Sie anfangen. Die Craels sind natürlich auch dabei. Adrian Rees scheint der letzte gewesen zu sein, der Gemma Temple gesehen hat. Er traf sie auf der Grape Lane, kurz bevor sie ermordet wurde.»
Jury faltete die Liste zusammen und steckte sie in die Tasche. «Dann unterhalte ich mich am besten zuerst mit ihm. Bevor ich zu den Craels gehe.»
Harkins nickte und streifte seine Handschuhe über. «Sie nehmen es mir hoffentlich nicht übel, wenn ich jetzt nach Pitlochary zurückfahre. Ich erwarte einen Bericht aus London.»
Es war ungewöhnlich – wenn nicht ungehörig –, daß ein Bezirksinspektor sich unaufgefordert verabschiedete; Jury hielt sich jedoch zurück.
Harkins rückte die Schultern seines Mantels zurecht und ließ da nn endlich die Katze aus dem Sack: «Oh, was ich noch sagen wollte, die Geschichte hat noch einen Haken: Lily Siddons – das ist die junge Frau, der das Café «Zur Brücke» gehört – behauptet, dem Mörder sei ein schrecklicher Irrtum unterlaufen.»
«Ein Irrtum!»
«Lily Siddons behauptet, er hätte es eigentlich auf sie abgesehen gehabt.» Harkins lächelte in die Runde, als wolle er ihnen sagen, daß der Code, den sie gerade entschlüsselt hatten, auf Fehlinformationen beruhte. «Meiner Meinung nach ist das dummes Gerede. Wahrscheinlich will sie sich nur wichtig machen. Aber das Kostüm hat ihr gehört, wie sie sagt. Deswegen sei dem Mörder auch dieser Irrtum unterlaufen. Ich möchte mich verabschieden. Es ist ein ganzes Ende bis nach Pitlochary. Ich hoffe, Ihnen etwas weitergeholfen zu haben.»
Jury starrte auf seine Füße. «Ich bin Ihnen unendlich dankbar.»
2
Während der Auspuff des Lotus Elan noch in Jurys Ohren röhrte, machte Kitty Meechem sich daran, die Bar für die Elfuhrkunden herzurichten; sie wischte die Porzellangriffe der Bierpumpe ab und rieb den dunklen Tresen blank. Jury entschied, daß er sich lieber mit Kittys seidigen Locken hätte abgeben sollen als jemals mit Harkins. «Welche Zimmer haben Sie uns denn gegeben, Kitty?»
Sie warf die Serviette über die Schulter und zog ihr Kleid zurecht, so daß Jury etwas mehr Busenansatz sehen konnte. «Ach ja, ich zeig sie Ihnen –»
«Ist nicht nötig. Sergeant, Wiggins wird sie schon finden. Sagen Sie ihm nur, wo. Ich würde gerne noch etwas mit Ihnen plaudern.»
Sie zeigte durch die Tür auf eine dunkle, enge Treppe rechts neben der Bar. «Ich hab nämlich nur drei Zimmer. Und die Polizei will nicht, daß ich ihres vermiete.» Jury lächelte in sich hinein; anscheinend galten sie hier nicht als Polizei. «Sie können sie nicht verfehlen, Sergeant. Es sind die ersten beiden auf dem ersten Stock. Mit Blick aufs Meer. Viel frische Luft für Sie. Sie sehen ziemlich angegriffen aus.»
Wiggins lächelte trübe.
«Ruhen Sie sich aus», sagte Jury. «Ich hol Sie, wenn ich Sie brauche.»
Wiggins sandte ihm einen dankbaren Blick zu, schnappte sich die beiden kleinen Koffer neben der Tür und ging hinauf.
«Sie kommen nicht aus Dublin, Kitty, oder?» Jury lächelte. Mit diesem Lächeln hatte Jury schon härtere Herzen erweicht als das von Kitty Meechem.
«Sie sind ein ganz Schlauer. Was meinen Sie denn, woher?»
«Aus dem Westen. Sligo vielleicht.»
Sie war verblüfft. «Sie haben’s erraten. Wirklich sehr schlau, Inspektor. Daß Sie solche Unterschiede heraushören können!»
«So schlau auch wieder nicht.» Er hob den Umschlag hoch und warf zwei Fünfzig-Pence-Stücke auf den Tresen. «Harkins hat alles aufgeschrieben. Wie wär’s mit einem Bier, Kitty?»
Sie lachte. « Ich hab nichts dagegen.»
«Ein Guinness, bitte. Das ist Medizin.»
«Da haben Sie recht. Meine Mutter mußte einen Liter pro Tag trinken; der Doktor hatte ihr das verordnet, als Stärkungsmittel.»
«Warum sind Sie hier in Yorkshire, Kitty? Irland ist doch ein schönes Land?»
«Mein Mann ist aus Yorkshire. Ich hab ihn in Galway kennengelernt, als er Urlaub machte. Eine Zeitlang haben wir in Salthill gewohnt. Aber er mochte Irland nicht. Wie alle Engländer. Wegen der Unruhen.»
«Die gibt es schon seit zweihundert Jahren, Kitty.»
Sie hatte die Arme in die Hüften gestemmt und wartete darauf, daß sich der Schaum setzte. «Haben Sie schon Bertie Makepiece kennengelernt, Sir? Er wohnt in dem Cross Keys Cottage in
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