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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Schweigen. «Meine Mami ist weggefahren. Außer mir und Arnold ist niemand zu Hause.»
    «Vielleicht kann mir auch Arnold weiterhelfen. Scotland Yard schickt mich», fügte Melrose mit großem Vergnügen hinzu.
    Der Junge schnappte nach Luft. «Sie sind vom Yard?»
    «Nein, nicht wirklich. Ich helfe nur aus. Mein Name ist Melrose Plant.» Er suchte immer noch hinter dem Jungen nach einem Erwachsenen. «Und du, wie heißt du?»
    «Bertie Makepiece.» Er riß die Tür weit auf. Melrose sah, daß sich in dem Haus nichts rührte, und die Räume, die er sehen konnte – eine Ecke von einem Wohnzimmer, ein Stückchen von einer Küche –, schienen leer zu sein. Zwei unerfreulich aussehende Zimmerpflanzen flankierten die enge Diele. Irgendwo tickte eine Uhr.
    «Das ist Arnold.»
    Melrose blickte auf den Boden. «Das ist ja ein Hund.»
    «Ja, weiß ich.»
    Melrose versuchte zu lächeln, während er im geheimen Jury verfluchte. Er fragte sich, wie er den Bengel bei Laune halten sollte.
    Um ein paar Dinge hatte Melrose schon immer einen Bogen gemacht – kleine Kinder und Tiere gehörten dazu. Er wußte nie, wie er reagieren sollte, wenn sie ihn mit großen Augen anschauten, als erwarteten sie etwas ganz Tolles, eine Tafel Schokolade, einen Knochen. Gelegentlich hatte er auch irgendwelche Süßigkeiten in der Tasche, um für unerwartete Begegnungen – in Zügen zum Beispiel – gewappnet zu sein. Aber er wollte sich damit die Störenfriede nur vom Hals halten und war fassungslos, wenn es gerade die entgegengesetzte Wirkung hatte – warum nur wurde er in diese endlos langen, verwickelten Geschichten über Schulen, Kindermädchen oder innig gehaßte Schwesterchen hineingezogen? Wenn man jemandem freundlich lächelnd ein Bonbon in die Hand drückte und zu dem Empfänger sagte: «Ich glaube, deine Tante hat nach dir gerufen, zisch mal los», sollte man dann nicht annehmen, daß dieser Wink verstanden würde? Dem war aber nicht so. Es bewirkte nur, daß sie einen noch aufdringlicher anlächelten oder noch heftiger mit dem Schwanz wedelten und ihre Erwartungen noch höher schraubten. Manchmal fragte er sich, ob er nicht von völlig falschen Voraussetzungen ausging.
    «Hm, hm, das ist aber ein hübsches, kleines Haus», sagte Melrose mit einer Herzlichkeit, die keineswegs von Herzen kam. Er würde Jury die Sache übergeben. Auf Ardry End gab es weder Kinder noch Hunde (abgesehen von Mindy, die sich einfach an ihn rangehängt hatte) und auch keine Zimmerpflanzen. Während es in diesem Haus nur so davon wimmelte. Und all diese Dinge gruppierten sich um ihn, als wollten sie sich mit ihm ablichten lassen.
    Der Junge hatte ein idiotisches Grinsen aufgesetzt, und als Melrose auf die dunkle Hundeschnauze hinunterblickte, hatte er das Gefühl, der Hund würde auch grinsen – als ob sie von ihm gleich etwas sehr Komisches erwarteten.
    «Kommen Sie mit in die Küche. Ich dachte, Sie seien Frosch – Miss Frother-Guy.»
    Melrose warf seinen Mantel über das Geländer, stellte seinen Spazierstock in den Blumenkübel und folgte Bertie in die blitzsaubere Küche.
    Der Tisch war für zwei Personen gedeckt. Arnold kroch unter den Tisch, legte den Kopf auf eine Vorderpfote und blickte trübe zu Melrose hoch. Melrose fragte sich, welche Technik der Yard bei dieser Altersgruppe anwandte. Sollte er ihn zum Beispiel hochnehmen und schütteln? Er entschied sich für einen Ton, der, wie er hoffte, sowohl freundlich wie auch bestimmt war.
    «Euer Haus steht gleich neben der Engelsstiege, wo die Leiche gefunden wurde. Wir dachten, vielleicht hättest du was gesehen.»
    «Ich hab gehört, sie hat ein gutes Dutzend Messerstiche abgekriegt. Sie soll voller Blut gewesen sein.»
    Melrose hätte einen weniger lüsternen Ton vorgezogen. «Das ist übertrieben. Hör zu: Hast du irgend etwas gesehen oder gehört?»
    «Nein.» Selbst diese eine Silbe drückte seine ganze Enttäuschung aus. Er nahm eine Schale vom Tisch und stellte sie auf den Boden. «Sei nicht beleidigt, Arnold.» Zu Melrose gewandt, erklärte er: «Sie sitzen nämlich auf Arnolds Stuhl.»
    «Oh, ich kann mich ja unter den Tisch setzen.»
    «Nicht nötig. Trinken Sie doch eine Tasse mit. Ich mach mal den Tee naß.»
    Da er im allgemeinen mit Leuten dieser Altersgruppe nie zusammentraf, dachte Melrose, er sollte die Gelegenheit nutzen und ihm etwas beibringen. «Denkst du nicht, daß ‹die Blätter ziehen lassen› deiner Mutter wesentlich besser gefallen würde?»
    Bertie zuckte die Achseln, und

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