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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Oma?»
    «In Belfast», antwortete er wie aus der Pistole geschossen. Er warf ihm einen kurzen, prüfenden Blick zu und fügte hinzu: «Auf der Bogside.» Und weg war er.
    «Bogside», wiederholte Jury und lächelte auf seine Pflaumentorte hinunter.
    «Eines muß man ihm lassen – er weiß sich zu helfen. Hier verschwinden die Leute ja am laufenden Band. Das reinste Bermudadreieck.»
    «Mary Siddons zum Beispiel. Lily Siddons Mutter, die angeblich ertrunken ist.»
    «Ja, davon hab ich gehört. Der Colonel macht sich Sorgen, weil Lily sich so abkapselt. Ihre Mutter ertrank, kurz nachdem Lady Margaret und Rolfe bei diesem Autounfall ums Leben gekommen waren. Muß eine schlimme Zeit für die Craels gewesen sein.»
    «Alles in allem ist Rackmoor anscheinend kein sehr glücklicher Ort.»
    Melrose bestand darauf, das Essen zu bezahlen, und Jury, der noch ein paar Worte mit Kitty wechseln wollte, entschuldigte sich.
    Während Melrose seinen Mantel zuknöpfte, sagte er zu Bertie: «Das Essen wurde nur noch von dem Service übertroffen. Und der Service ist selbst bei Simpson nicht besser.»
    Bertie versetzte dem Tischtuch ein paar Schläge mit seiner Serviette, um die Krümel herunterzufegen. Arnold, dem die plötzliche Hektik auffiel, setzte sich auf und spitzte die Ohren.
    Melrose stopfte Bertie eine Fünfpfundnote in die Tasche und sagte: «Da, Copperfield, damit du aus dem Salem-Haus rauskommst.»

12
    Percy Blythe saß immer noch an seinem Tisch, als Melrose durch das Fenster spähte. Und soweit Melrose das beurteilen konnte, war er auch noch immer damit beschäftigt, seine Muscheln zu sortieren.
    «Gehn wir rein, Inspektor. Ich hoffe, er läßt Sie überhaupt zu Wort kommen.»
    Jury lächelte nur.
    Jury wartete erst gar nicht darauf, Percy vorgestellt zu werden. Er durchquerte einfach den Raum, der seit dem letzten Mal, als Melrose ihn gesehen hatte, noch voller und dunkler geworden war, streckte die Hand aus und sagte: «Hallo, Percy, ich bin Jury. Von Scotland Yard.»
    Melrose grinste, als Jurys Hand ungeschüttelt in der Luft hängenblieb. Der Inspektor schien sich jedoch nicht aus der Fassung bringen zu lassen; er zog seine Hand einfach wieder zurück, schob einen Stapel Bücher von einem Hocker, zog ihn zum Tisch und setzte sich darauf, die Füße auf dem Querstab. Melrose wischte den Staub von einer Fensterbank, um darauf Platz zu nehmen. Er konnte nicht umhin, Jurys Unverschämtheit zu bewundern. Aber was zum Teufel hatte er denn da gerade aus der Tasche gezogen und zu Percy hinübergeschubst?
    «Bedienen Sie sich, Percy.»
    Neugierig pirschte Melrose sich an die Regale heran und tat so, als würde er den schwarzen, leblos aussehenden Klumpen in der Wasserschüssel inspizieren. Er behielt jedoch Percy im Auge, der die Sache, die Jury ihm zugeschoben hatte, in die Hand nahm und gegen seine Zähne oder sein Zahnfleisch preßte – was auch immer er im Mund hatte. Kautabak. Melrose warf Jury einen fragenden Blick zu. Seit wann kaute der Inspektor Tabak? Es gab jedoch keinen Zweifel: Sein Kiefer bewegte sich rhythmisch hin und her. Beide Kiefer! Und jetzt kickte Percy einen Spucknapf in Jurys Richtung. Der Klumpen drehte sich. Melrose starrte darauf und stieß die Schüssel weg.
    «Ich hab gehört, Sie sind Dachdecker, Percy? Eine vergessene Kunst! Sie kommen aus Swaledale, stimmt’s?»
    Melrose beobachtete, wie Percy Blythe seinen Tabak kaute; sein Gesicht glich einer Ziehharmonika, es wurde auseinandergezogen und zusammengedrückt, auseinandergezogen und zusammengedrückt.
    «Swardill, stimmt. Vierzig Jahre hab ich Dächer gedeckt und Hecken geschnitten.»
    «So was ist rar geworden.»
    «Bah! Keiner macht sich mehr die Mühe; sie schneiden nicht richtig und putzen überhaupt nicht mehr aus. Keiner macht’s, wie sich’s gehört. Ruinieren die Rinde und lassen die Reiser eingehen. Und hauen die Pfropfen zu weit rein.» Betrübt schüttelte er den Kopf. «Ich bin Strohdachdecker, Heckenmacher, Besenbinder; in Swardill konnt’s keiner mit mir aufnehmen! Da drüben an der Wand hängt das Schälmesser.» Er bog den Daumen nach hinten über seine Schulter und zeigte auf ein paar Werkzeuge, die sehr ordentlich aufgereiht wie Bilder an der Wand hingen. «Ich hab die Weiden im Handumdrehen zugeschnitten. Und die Bandstöcke auch. An einem Tag schaffte ich beinahe ein ganzes Feld Besenginster.»
    Über den Seeigel weg starrte Melrose auf Jury, der anscheinend ganz hingerissen lauschte und seinen Tabak kaute, das Kinn

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