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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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zurückführen ließ.
    «Wie sah er denn aus?» fragte Jury. Er wußte, es wäre sinnlos, die Verfolgung in Zweifel zu ziehen, es würde ihr die Angst nicht nehmen. Er zog sein kleines Notizbuch aus der Tasche und zückte den Kugelschreiber.
    Sie wirkte sofort ruhiger. Sie wollte lediglich ernst genommen werden. «Nicht sehr groß …» Sie machte eine andeutende Handbewegung. «Mager und ein Kopf wie ein Totenschädel; nah beieinanderliegende Augen – irgendwie gemein, wissen Sie. Er trug einen braunen Hut und Mantel.»
    Während sie ihn aufmerksam betrachtete, schrieb Jury alles sorgfältig mit. «Es dürfte nicht schwer sein, ihn zu finden. Wir behalten alle Taschendiebe im Auge, die in der Passage arbeiten.» Mrs. Wasserman liebte es, in die Passage zu gehen und die Verkaufstische nach besonders preiswerten Sachen durchzuwühlen, die sie aber nie fand.
    «Haben Sie irgend etwas gekauft? Ihr Geld gezeigt?»
    «Nur das …», sie öffnete ihre Tasche und zeigte Jury einen kleinen, in einem Papiertaschentuch eingeschlagenen Ring. Wie zu erwarten, war es ein Trauerring, in dem sich eine Haarlocke befand. Aber sehr hübsch.
    «Ich habe mit einer Zehnpfundnote gezahlt.»
    «Nun, Sie kennen ja diese Langfinger und Taschendiebe. Sie sehen einen Geldschein, und schon glauben sie, auf eine Goldader gestoßen zu sein.» Jury steckte sein Notizbuch weg. «Machen Sie sich keine Sorgen, wir finden ihn schon. Haben Sie ihn früher schon mal gesehen?» Sie schüttelte energisch den Kopf. «Die Camden Passage zieht viele kleine Ganoven an. Meistens sind sie aber ganz harmlos.»
    «Die Straßen sind heutzutage nicht mehr sicher, Mr. Jury», sagte sie und drückte mit ihren kleinen beringten Fingern die Tasche eng an sich. «Nichts ist mehr sicher.» Ihre dunklen Augen waren wie schwarze Trauerperlen.
    Die Angst, die sie ergriffen hatte, als sie jung und hübsch war, hatte sich auch in ihr breitgemacht und hielt sie nun für immer gefangen, dachte Jury.
    «Denken Sie nicht mehr daran, Mrs. Wasserman. Ich würde mir an Ihrer Stelle einen dieser Geldgurte zulegen. Sie müßten dann keine Geldbörse mehr tragen, wenn Sie einkaufen gehen. Diese Gurte sind so gemacht, daß Sie sie unter dem Rock an ihrem Hüftband befestigen können. Es ist ganz einfach. Oder Sie könnten einen nehmen, der in ein Strumpfband eingearbeitet ist, und ihn am Schenkel tragen. Dann werden Sie natürlich noch andere Probleme als nur Taschendiebe haben, wenn Sie zahlen wollen.» Er zwinkerte ihr zu.
    Sie schüttelte sich vor Lachen. «Bei meinen Beinen, Inspektor? Voller Krampfadern. Ich habe schon daran gedacht, sie entfernen zu lassen. Nein, Inspektor, meine Beine will niemand sehen, darüber mache ich mir keine Sorgen.»
    Jury lächelte. «Haben Sie die Trillerpfeife, die ich Ihnen gab, mitgenommen? Haben Sie die dabeigehabt?» Sie errötete und schlug die Augen nieder. «Ich gebe zu, ich habe sie vergessen. Es war aber sehr nett von Ihnen, sie mir zu geben.»
    «Aber das macht doch nichts. Nehmen Sie sie das nächste Mal mit. Ich muß jetzt weg. Wollen Sie zur Angel Station?»
    «Ja. Ich will auch dorthin. Mrs. Eton wohnt in Chalk Farm.» Josie Thwaite wohnte in Kentish Town. «Das trifft sich ja gut, Mrs. Wasserman. Ich muß nach Kentish Town, das ist nur eine Station weiter. Sie bekommen eine Polizeieskorte.»
    «Oh, Mr. Jury, das ist wirklich wunderbar!» Ihre Hände, die die schwarze Tasche umklammert hielten, entkrampften sich sichtlich.

2
    Die Tür, die mit einer Kette gesichert war, öffnete sich einen Spalt. Die Augen, die ihn durch den Türspalt fragend anschauten, waren von einem sanften verletzlichen Braun. Jury nahm an, sie gehörten Josie Thwaite.
    «Miss Thwaite? Ich bin Inspektor Jury von …»
    Die Art, wie sie tief Luft holte, ließ ihn innehalten. «Sie kommen wohl wegen dem ‹Anfänger›-Schild.»
    «Nein. Ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen. Wegen Ihrer Freundin Gemma Temple.»
    «Oh, Verzeihung!» Die Tür ging kurz zu, als sie die Kette löste. Dann machte sie sie weit auf, wobei sie ihre langen, schwarzen Haare von der Schulter nach hinten schob. Der weiße Pullover, den sie trug, betonte ihre mageren Schultern. Als sie zurücktrat und ihn mit einer Handbewegung zum Eintreten aufforderte, sah er, daß sie überhaupt mager war. Sie hielt sich auch ein wenig krumm. Ihre Haltung, ihr Blick, ihre Stimme – alles an ihr wirkte wie eine Entschuldigung. Ein trauriges Wesen.
    Offenbar jedoch nicht wegen ihrer Mitbewohnerin,

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