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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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helfen werden, die er gezwungenermaßen erzählen muß. Das ist auch der Zweck des zweiten Briefes: Sie werden Miss Cavendish genau das schreiben, was Bertie den Leuten erzählt. Sie seien in Nordirland, in Belfast, und pflegten Ihre Großmutter. Formulieren Sie es so, daß es zu Herzen geht, und sagen Sie, daß sich die Krankheit noch lange hinziehen wird – so lange, daß Sie nicht wüßten, ob Sie in absehbarer Zeit zurückkommen können. Das bedeutet, daß Sie in Rackmoor jemanden brauchen, der sich um Bertie kümmert. Und darum geht es im dritten Brief, den an Kitty Meechem. Ich würde sagen, daß Kitty dazu recht geeignet ist –»
    «Kitty! Sie meinen die, die den ‹Fuchs› betreibt? Hören Sie, ich will nicht, daß mein Junge in einem Pub lebt –»
    Jury konnte sich über dieses «mein Junge», über diese merkwürdig verdrehte Moral nicht mal ärgern, da er schon halb erwartet hatte, daß Roberta Makepiece protestieren würde, weil sie den drohenden Verlust jetzt als real empfand.
    «Das ist ein durchaus respektabler Laden, und Kitty ist eine großartige Person. Sie mag Bertie sehr. Und Arnold auch. Natürlich gibt es da immer noch Froschauge und Stockfisch, wenn Sie lieber wollen, daß –»
    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, das sie aber schnell unterdrückte. «Nein, die wohl kaum. Aber sehen Sie …»
    Jury überging ihre Einwände: «Dann nehmen Sie die Briefe und stecken sie in einen Umschlag und schicken sie zu dieser alten Oma, damit sie in Irland gestempelt werden. Das wird uns mindestens so lange weiterhelfen, bis die Sache geklärt ist …»
    «Auf legalem Wege», wollte er nicht hinzufügen, das hätte für sie zu unabänderlich geklungen. Es war merkwürdig. Obwohl sie so kalt war und dieses schneeweiße Zimmer sie noch kälter machte – kalt, berechnend und egoistisch –, spürte er trotz allem die Furcht in ihr, etwas ganz zu verlieren, was sie in Wirklichkeit schon längst weggeworfen hatte.
    «Und wenn ich es nicht tue?» Ihre Stimme verriet, daß die Herausforderung nur vorgetäuscht war.
    «Dann werde ich zurückkommen. Auf Wiedersehen, Mrs. Cory.»
    Als er die Tür öffnete, zog sie ihn am Ärmel. «Warten Sie noch –» Sie schien nicht zu wollen, daß er ging, aber auch nicht zu wissen, warum er bleiben sollte. Sie versuchte Zeit zu gewinnen und sagte: «Robert. Er heißt eigentlich Robert.»
    «Was?» Jury wußte nicht, was er davon halten sollte.
    Sie lächelte vage; in Gedanken schien sie ein altes Album durchzublättern. «Er wird Bertie gerufen. Aber er heißt Robert. Hab ihn nach mir genannt. Ja, so war’s.»
    Es traf Jury wie ein winziger Pfeil, daß sie doch einmal das Bedürfnis gehabt haben mußte, ihr Kind als einen Teil ihrer selbst auszugeben – Robert und Roberta.
    Sein Ärger über sie war lange zuvor verflogen. «Ich werde es mir merken.» Er lächelte. Ein Lächeln, das diesmal auch bei Roberta Makepiece ein Lächeln hervorrief. «Auf Wiedersehen.»
    Die Tür schloß sich hinter ihm.
     
    Er ging die Straße zur Underground Station zurück. Die Gegend war wie ausgestorben, mit Ausnahme einer räudigen Katze mit rötlichem Fell, die sich auf einer Veranda putzte. Das Fell sah hoffnungslos struppig aus, dennoch ließ die Katze nicht davon ab. Ein Wind kam plötzlich auf und blies eine Zeitungsseite an Jurys Bein. Sie wurde weitergetrieben, gegen einen Baum geweht und blieb dann schließlich an einem Eisengeländer hängen, wie ein alter Rentner, der seine Haustür sucht und nicht findet.
    Er ging die Straße entlang – die Zeitung wurde immer weiter durch die Gegend geweht – und fragte sich, warum er hierhergekommen war. Er hatte das Gefühl, nur wenig erreicht zu haben. Dennoch schien etwas in ihm sein Tun zu billigen. Er erinnerte sich an eine Lehrerin, die er als kleiner Junge gehabt hatte. Diese Lehrerin hatte er mit der Leidenschaft eines Kindes geliebt. Sie hatte ihm die Hand auf den Kopf gelegt, auf ihn heruntergelächelt und ihn gelobt, weil er eine kreideverschmierte Tafel besonders sauber gewischt hatte.

13
    Als Jury um sechs Uhr ins «George» kam, sah er Jimi Haggis an der Bar sitzen. Seine langen Beine waren um einen Hocker geschlungen, und er spießte gerade ein Stück kalte Fleischpastete auf.
    «Hallo, Jimi», sagte Jury und setzte sich auf den Hocker neben ihm.
    «He, Richard.» Jimi klopfte ihm auf die Schulter und wandte sich wieder den Silberzwiebeln zu, die er mit der Gabel auf seinem Teller herumschubste. Jimi war vom

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