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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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können ja Mary fragen. Wenn diese Person hier gearbeitet hat, dann weiß es Mary.»
    «Wo ist diese Mary?»
    Sie hielt jetzt einen kleinen Taschenspiegel in der Hand und inspizierte erneut ihren Mund. Jury, der sich nur noch für Mary interessierte, langweilte sie. «Mary Riordan. Irgendwo dort …» Sie machte eine vage Handbewegung. «Ich nehme an, sie deckt die Tische im Eßzimmer.»
    Im Eßzimmer waren zwei Mädchen, besagte Mary und ein zweites träges Mädchen vom Lande mit zwei dünnen braunen Zöpfen und rötlicher Gesichtsfarbe, die mit lethargischen Bewegungen Servietten und das Besteck auflegte.
    Mary sah zum Glück weniger einfältig aus. Sie hatte eine weiche, rauchige Stimme und einen irischen Akzent, der gut zu ihren auffallend blauen Augen paßte. «Roberta Makepiece? Also, jetzt … ja. Ich erinnere mich jetzt. Sie hat aber nicht lange hier gearbeitet.» Mary hielt ihr Metalltablett wie einen Panzer vor ihre Brust. «Sie ist mit einem Kerl abgehauen.»
    Das «Royal Victoria» schien für Liebespaare gut zu sorgen. «Sie wissen nicht, wohin?» Jury hatte die Hoffnung schon aufgegeben, als Mary nickte und sagte: «Könnte sein. Wissen Sie, ich habe einen Brief von ihr bekommen … eigentlich war es das Geld, das ich ihr geliehen hatte und das sie mir zurückschickte. Da stand eine Adresse drauf. Wenn Sie einen Moment warten, dann lauf ich hinauf und hole ihn.»
    «Wenn es sein muß, warte ich hier den ganzen Tag auf Sie.» Er lächelte. Er hätte Mary küssen können; sie wurde mit jedem Moment hübscher und ihre Wangen rosiger.
    Jurys Lächeln ließ sie rücklings gegen den Türpfosten prallen. Sie errötete, drehte sich um und eilte hinaus, das Tablett noch immer in der Hand. Als sie weg war, las er noch einmal Plants Nachricht. Wenigstens war sie kurz:
     
    Rufen Sie mich im «Connaught» an, wenn Sie noch sprechen können.
    Plant
     
    Das Mädchen mit den Zöpfen, das wie eine Schnecke um die Tische strich, schien an Polypen in der Nase zu leiden. Ihr Schnaufen erinnerte Jury an Sergeant Wiggins. Mary kam mit einem Brief in der Hand zurück. «Ich hab’s gefunden. Sie heißt jetzt nicht mehr Makepiece, sondern Cory. Hier ist die Adresse.» Sie hielt Jury den Zettel hin. Die Wohnung lag in Wanstead.
    «Muß geheiratet haben», sagte Mary.
    Jury lächelte. «Oder sonstwas. Danke schön, Mary. Sie wissen gar nicht, wie sehr Sie mir geholfen haben. Gibt es hier ein öffentliches Telefon? Ich muß jemanden anrufen.»
    Marys blaue Augen glitzerten, als sie zu ihm hinaufblickte. Sie führte Jury zum Telefon, und es war ihr deutlich anzumerken, daß sie nur zu glücklich darüber war, Scotland Yard behilflich zu sein.

12
    Der Blick, mit dem sie ihn von oben bis unten musterte, hätte den Lack von einem Stuhl abkratzen können.
    «Roberta Makepiece.»
    Über die Türkette hinweg sah er, wie ihre Kiefer den Kaugummi bearbeiteten, den sie schon die ganze Zeit über langsam hin- und herbewegt hatte. «Ich heiße Cory. Mrs. Cory. Sie haben sich in der Tür geirrt.» Sie versuchte, die Tür zu schließen, aber Jury hielt seine Hand dagegen.
    «Kriminalpolizei, Mrs. Cory. Chefinspektor Richard Jury.» Er schob ihr seine in Plastik eingeschweißte Ausweiskarte unter die Nase.
    «Was ist los …?» Ihre Augen weiteten sich. «Joey? Ist es wegen Joey?» Ihre Stimme klang weniger besorgt als erleichtert, was Jury veranlaßte, sich über Liebe und Loyalität Gedanken zu machen.
    «Dürfte ich vielleicht hereinkommen …? Es wird nicht lange dauern.»
    Sie schloß die Tür für einen kurzen Moment, um die Kette zu entfernen. Dann hielt sie die Tür auf und bedeutete ihm mit einem kurzen Nicken hereinzukommen. «Ich wollte gerade einkaufen gehen.»
    «Es wird nicht lange dauern. Können wir uns setzen?»
    Sie zuckte die Achseln. «Machen Sie sich’s bequem.» Jury setzte sich auf den Rand eines glänzenden Kunstledersessels. Sie nahm auf einer weißen Couch aus Webpelz Platz. Alles in dieser Wohnung – die Möbel, die Gardinen, die Kleidung, die sie trug –, alles sah billig, neu und sauber aus, als sei das Leben, das hier gelebt wurde, unmittelbar den Steinen von Wanstead entsprungen. Die Wohnung glich einem Schaustück in einem Kaufhausschaufenster – einschließlich der Puppe. Roberta Makepiece war zwar ganz hübsch, aber ausgesprochen steif und hölzern – eine abweisende, starre Frau. Behindert durch einen engen, wadenlangen Rock, hatte sie sich mit kleinen, gezierten Schritten auf die weiße Couch

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