Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd
mauserte.
Es war ein Lichtbildervortrag.
Gab es Schlimmeres, abgesehen vielleicht von herumgereichten Ferien- oder Babyfotos? Derek Bodenheim war ungefähr vor einer Stunde hereingeplatzt, hatte das ‹Hallo›, das er Melrose zukommen ließ, so gelangweilt wie nur möglich hervorgestoßen und sich dann wieder zurückgezogen, eine Flasche in der Hand.
Augusta Craigie hatte einen Stuhl in Armeslänge von dem Getränketisch entdeckt und schien mit der Sherrykaraffe vollkommen glücklich zu sein, was außer Melrose niemand bemerkt hatte.
Ein Dienstmädchen, eine schmächtige Person mit olivfarbener Haut und lautlosen, sparsamen Bewegungen, reichte eine Platte mit Kanapees herum, die wie Pappe schmeckten.
Die einzige Abwechslung stellten Julia Bodenheims Versuche dar, Melrose in etwas anderes als ein Gespräch zu verwickeln – sie schlug abwechselnd ein schimmerndes Bein über das andere und lehnte ihren seidig glänzenden Busen mal gegen ein Glas, mal gegen einen Aschenbecher oder die Platte mit den Kanapees.
So sehr er sich auch bemühte, es gelang Melrose nicht, das Gespräch auf den Mord zu bringen. Von Sylvias Erklärung, daß so nahe an ihrem Grundstück eigentlich gar kein Mord hätte passieren dürfen, bis zu Augustas schauerndem Schweigen und dem kurzen Exkurs von Sir Miles über die Unfähigkeit und Penetranz der Polizei – sie pickten nur wie ein Schwarm Blaumeisen an dem Thema herum, um dann schnell wieder davonzuflattern. Selbst Ernestine – in ihrem grauen Kostüm so handfest und solide wie ein Bierhumpen – schien sich gegen das Thema zu sträuben.
Die Pläne für das Kirchenfest wurden jedoch um so leidenschaftlicher diskutiert – Melrose konnte sich die Festzelte, Wurfbuden und Kutschfahrten bereits lebhaft vorstellen. Das Karussell war angekommen, und auch die Stände waren schon zum größten Teil aufgebaut.
Konnte Emily Perk wirklich mit der Aufgabe des Kutschers betraut werden (hatte Miles gefragt), würde sie die Kinder auch nicht zu früh wieder absetzen? Du weißt doch, meine Liebe, sie ist eigentlich strikt dagegen, daß Leute sich von Pferden ziehen lassen. Ja, Daddy, sie ist aber die einzige, die das machen kann und will , hatte Julia geantwortet und dabei in Country Life geblättert; kurz darauf flog die Zeitung in die Ecke, wahrscheinlich, weil sie sich nicht darin entdeckt hatte. Danach waren Sylvia Bodenheims Stricknadeln wie zwei Rapiere hin und her geschossen, als sie von Lady Kenningtons Weigerung berichtete, den Wühltisch zu übernehmen.
Wenn man sie alle so sprechen hörte, hätte man denken können, daß es entweder überhaupt keinen Mord gegeben hatte oder daß sie schon so daran gewöhnt waren, im Wald von Horndean Leichen ohne Finger zu finden, daß es auf eine mehr wirklich nicht mehr ankam.
Oder aber, eine dritte Möglichkeit: Jemand hatte hier ein sehr schlechtes Gewissen.
Der Lichtbildervortrag ging weiter: Auf der Leinwand erschien ein Muster bunter Linien, die von Westen nach Osten oder von Norden nach Süden verliefen oder irgendwelche Kurven beschrieben. Die Tüpfelsumpfhühner schienen wahre Flugorgien zu feiern – von den äußeren Hebriden waren sie über Manchester bis nach Torquay gezogen. Melrose war gerade dabei, einzunicken, als Miss Craigies Markierungsstift eine horizontal verlaufende rote Linie zog, anscheinend eine der beliebtesten Flugrouten des Tüpfelsumpfhuhns. Er kniff die Augen zusammen und versuchte herauszufinden, an was diese Linie ihn erinnerte. An Emilys blutroten Bach vielleicht? Oder lediglich an eine Reklame der British Air …
Er gähnte und fragte sich, wann Jury zurück sein würde. So lange brauchte man nicht von London nach Littlebourne. Er stellte sich vor, das Große Tüpfelsumpfhuhn hielte irgendwo einen Lichtbildervortrag und erklärte einem Saal voll eingesperrter, gelangweilter Tüpfelsumpfhühner das englische Autobahnnetz: Das ist Ihre Flugroute. Wie Sie sehen, endet die rote Linie in einem Kleeblatt. Das ist die Ausfahrt nach Doncaster …
Zweiter Teil
Magier und
Kriegsherren
10
Es lag auf der Hand, wie die Catchcoach Street zu ihrem Namen gekommen war: eine dolchförmig verlaufende Sackgasse, die mit den eleganten Cul-de-Sacs von Belgravia oder Mayfair nichts gemeinsam hatte. Die schmalen, heruntergekommenen Häuser standen dicht nebeneinander und drängten sich an dem klingenförmigen Ende noch enger zusammen. Es roch nach Fisch und brackigem Themsewasser.
Die Nummer zweiundzwanzig unterschied sich von
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