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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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den übrigen Häusern nur durch eine etwas gepflegtere Fassade und einen saubereren Hof. Von Nell Beavers, der Eigentümerin dieser Straße in dem Slum (sie hatte sich damit gebrüstet, daß ihr dieses und die beiden Häuser links und rechts davon gehörten), hatten sie Näheres über Cora Binns erfahren. Sie war am Donnerstag abend gegen sechs aus dem Haus gegangen und hatte noch gesagt, sie hoffe, der Berufsverkehr sei vorbei, wenn sie zur Highbury-Station käme.
    « Es war gegen sechs. Ich spioniere den Leuten nicht nach.»
    Jury wollte dafür nicht die Hand ins Feuer legen. Sie schien ganz der Typ zu sein, der in den Mülltonnen nachsieht, wie viele Flaschen drinliegen. Cora Binns hatte die Wohnung über ihr, und Jury war überzeugt, daß ihre Wirtin auf jedes Knarren in den Dielen achtete.
    «Etwas spät für ein Vorstellungsgespräch, oder?» fragte Wiggins.
    Nell Beavers zuckte die Achseln. «Was weiß ich! Ich nehme an, sie wollte keinen Arbeitstag opfern. Sie sagte jedenfalls, sie würde nach Hertfield fahren», fuhr Nell Beavers fort, in ihrem Stuhl schaukelnd und stolz auf ihre Selbstbeherrschung. Sie gehörte nicht zu der Sorte, die gleich zusammenbricht, wenn es ernst wird: Sie wußten das, weil sie es ihnen bereits dreimal versichert hatte. «Sie hat gesagt, ihre Agentur – Cora war Aushilfssekretärin – hätte angerufen, weil in Hertfield jemand eine Stenotypistin suchte. Sie brauchen nur diese Agentur zu fragen. Sie heißt The Smart Girls Secretarial Service. Ich würde an Ihrer Stelle gleich mal hingehen.»
    Jury dankte ihr. Seine Landsleute fühlten sich des öfteren bemüßigt, ihm gute Ratschläge zu erteilen. «Sie haben Inspektor Carstairs erzählt, daß sie am selben Abend zurückkommen wollte.»
    «Richtig, das hat Cora gesagt. Am nächsten Tag hat ihre Agentur angerufen und mich gefragt, ob ich wüßte, wo sie sei. Sie sei nie bei den Leuten aufgetaucht, bei denen sie sich hätte vorstellen sollen. Richtig frech ist diese Frau geworden. Ich sagte nur, daß ich meinen Mietern nicht nachspionieren würde, ich wäre schließlich nicht ihre Mutter.» Nell Beavers schmatzte mit trockenen Lippen. «Als Cora aber auch am Freitag abend nicht zurückkam, sagte ich mir, Nell, jetzt rufst du mal besser die Polizei an. Beavers – mein verstorbener Mann, Gott hab ihn selig – sagte immer, Probleme lösen sich nicht von selbst.»
    «Sie haben genau das Richtige getan, Mrs. Beavers.» Sie verzog jedoch keine Miene; auch dieses, wie sie wußte, wohlverdiente Lob konnte ihr kein Lächeln abringen. Sie schaukelte nur etwas schneller und sagte: «Ich an Ihrer Stelle würde mal mit den Cripps reden.» Sie wies mit dem Daumen nach rechts. «Gleich die nächste Tür. Warum Cora sich gerade mit ihnen angefreundet hat, ist mir ein Rätsel. Man hat in diesem Land als Hausbesitzer keine Rechte mehr, es ist eine Schande. Die Mieter können machen, was sie wollen. Seit Jahren versuche ich, sie rauszukriegen. Man weiß nie, was dieser Ash im Schilde führt.» Sittsam faltete sie die Hände im beschürzten Schoß. «Ich hab’s hier nicht zum erstenmal mit der Polizei zu tun. Die kommt immer wieder wegen Ash Cripps. Beavers hat auch gesagt, daß mit dem perversen Kerl was nicht stimmt.» Sie schlug ihre alte blaue Strickjacke auseinander und schloß sie schnell wieder, während Jury und Wiggins sie entgeistert anstarrten. «Sie haben kapiert? Er hat schon alle Parks und öffentlichen Toiletten im East End unsicher gemacht, und die im West End kennt er sicher auch.»
    «Wo ist Cora eingestiegen?»
    «Wo wir alle einsteigen: in Wembley Knotts. Cora hat sich immer über die Underground beklagt. Ein Skandal, wie teuer sie geworden ist. Von Wembley Knotts bis King’s Cross kostet es inzwischen achtzig Pence. Aber immer wird gebaut, stimmt’s? Na ja, die Polizei braucht ja nicht damit zu fahren.» Das schien sie ihnen besonders übelzunehmen: In diesem Staat war nicht nur für die Mieter gesorgt, sondern auch für die Polizei – nicht einmal die U-Bahn mußten sie benutzen.
     
     
     
    Vor der Nummer vierundzwanzig hielten sich ein paar schmuddelige Kinder an den Händen und tanzten um einen ramponierten Kinderwagen herum. Keines trug einen Mantel, obwohl es ein ziemlich kühler Septemberabend war, und eines hatte sogar nur ein Hemdchen an.
    Bei ihrem Ringelreihen um den Kinderwagen sangen sie zwar die Melodie von «Ringel, Ringel, Reihen», den Text hatten sie jedoch durch einen etwas handfesteren ersetzt, zum

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