Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
Vom Netzwerk:
um den Hals herumzulaufen.
     
     
     
    Die   dunkelhaarige Frau betrachtete noch immer den Obstbaum.
    «Ich mag keine gestutzten Bäume. Und Sie?» fragte Melrose.
    «Hm? Oh –» Ihre Überraschung war offensichtlich geheuchelt. «Ich dachte gerade, er scheint eine Krankheit zu haben.»
    «Sieht doch ganz gesund aus. Wohnen Sie hier?» Es war wohl kaum anzunehmen, daß ein Ortsfremder sich die Mühe machen würde, die Rinden der Bäume zu untersuchen.
    «Ja, da drüben.» Sie zeigte über die Grünanlage. Dann klappte sie ein Notizbuch auf und schrieb sich offenbar etwas zu dem Baum auf. In Littlebourne schien es nur so von Naturfreunden zu wimmeln.
    «Sind Sie Blau, Rot, Grün oder Gelb?» fragte er, seiner Meinung nach eine sehr geschickte Eröffnung.
    Daraufhin wurde ihr Gesicht tiefrot, und sie schnappte nach Luft, eine Reaktion, die er nicht erwartet hatte. Als sie das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, sagte sie: «Soll das heißen, daß Augusta nun schon mit Wildfremden darüber redet? Sie muß wirklich übergeschnappt sein.»
    Melrose war verwirrt. «Augusta? Nein, die andere Miss Craigie.»
    «Ernestine? Aber sie hat doch gar keinen gekriegt.»
    «Sie hat was nicht gekriegt?»
    «Einen Brief. Sprachen Sie denn nicht gerade über die Briefe?»
    Melrose erinnerte sich: Die kleine Perk hatte etwas von anonymen Briefen gesagt, die mit Buntstiften geschrieben worden waren. «Um Himmels willen, nein. Ich meinte diesen Plan für die Vogelbeobachter.» Melrose hielt ihn ihr wie einen Ausweis unter die Nase.
    «Ach so!» Sie setzte zu einem Lächeln an, und er benutzte die Gelegenheit, sie zum Tee einzuladen. Er hoffte nur, daß die Bodenheims nicht in der Zwischenzeit seinen Rolls auseinandernahmen.
     
    Als sie sich im Magic Muffin an einem wackligen Tisch mit Blick auf die Hauptstraße niedergelassen hatten, stellten sie sich einander vor. Polly Praed fragte: «Was taten Sie denn in Freddies Büro? Wollen Sie hier ein Haus kaufen?»
    «Ich, hm, ich interessiere mich für Stonington.»
    «Das kann doch nicht Ihr Ernst sein? Das Gut der Kenningtons? Er ist vor kurzem gestorben, wissen Sie.»
    Der Tod schien in Littlebourne ziemlich selten in Erscheinung zu treten, sonst wären die Leute nicht so überrascht, wenn einer von ihnen dran glauben mußte. Melrose sah eine ziemlich große, dünne Frau an ihren Tisch treten. Polly Praed bestellte Tee und fragte, was für Muffins es heute gebe.
    «Auberginenmuffins.»
    «Mit Auberginen?» Polly sah etwas zweifelnd drein. «Ich habe noch nie von Auberginenmuffins gehört.» Als die Frau wieder gegangen war, schob Polly sich die Brille ins Haar und sagte zu Melrose: «Ob sie wohl gelb sind, so ein fürchterlich kitschiges Gelb?»
    «Wahrscheinlich.» Zugleich stellte er fest, daß ihre Augen diese Farbe nicht aufwiesen: Sie waren kornblumenblau oder violett, je nachdem wie sie den Kopf hielt und das Licht einfiel.
    «Will Ernestine Craigie denn mit ihrem verrückten Verein wirklich im Wald von Horndean herumwandern – nach dem, was geschehen ist? Sie haben doch bestimmt schon von dem Mord gehört?»
    «Miss Craigie ist entschlossen, das Tüpfelsumpfhuhn zu sichten. Ich glaube, dafür würde sie auch über Berge von Leichen steigen.»
    Muffins und Tee wurden vor ihnen auf den Tisch gestellt. Sie sahen aus wie ganz gewöhnliche Muffins, Muffins von einer frischen, gesunden Farbe.
    Polly bestrich sich eine Hälfte mit Butter und sagte: «Sogar Scotland Yard hat sich hierherbemüht.» Sie hielt nachdenklich und stumm ihr Muffin in der Hand. Krümel rieselten auf ihren Pullover. Schließlich schien sie aufzuwachen und biß in das Gebäck.
    «Sie haben also auch einen von diesen Briefen bekommen?»
    Sie nickte. «Einen grünen. Fragen Sie mich bitte nicht, was drinsteht.»
    «Wie käme ich dazu. Hat die Polizei eine Ahnung, wer sie geschrieben haben könnte?» Sie schüttelte den Kopf. «Gab’s denn viele von der Sorte?»
    «Ein halbes Dutzend. Sie kamen alle auf einmal.» Polly erzählte von dem Packen, den Mrs. Pennystevens erhalten hatte.
    «Seltsam. Irgendwie nicht zu vereinbaren mit den Motiven, die man einem Verfasser anonymer Briefe unterstellt.»
    «Wie meinen Sie das?» fragte sie stirnrunzelnd.
    «Stellen Sie sich vor, Sie hätten dieses Laster. Sie möchten die Leute in die Zange nehmen. Deshalb versuchen Sie das Ganze möglichst in die Länge zu ziehen. Versetzen Sie sich mal in die alte Augusta Craigie, der jedesmal wenn sie ihre Post holen geht oder wenn die Post

Weitere Kostenlose Bücher