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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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gesehen, Sir?» fragte Wiggins auf dem Weg zur Kneipe. «In dem Fett waren ein paar kleine Pfotenabdrücke.» Wiggins erschauerte.

11
    Das Schild des « Anodyne Necklace » knarrte im Regen, der in Böen auf die heruntergekommene Straße prasselte. Der schorfige Anstrich war einmal grün gewesen, inzwischen waren jedoch die Details des Bildes verblichen und die Farbe abgeblättert, so daß Jury gerade noch den Umriß eines Perlenhalsbandes erkennen konnte, dem der Gasthof wohl seinen Namen verdankte. Es war ein unauffälliges, schmales Gebäude von einem stumpfen Bordeauxrot, das in der Dämmerung wie getrocknetes Blut aussah. Die Scheiben, deren untere Hälften aus Milchglas bestanden, schimmerten gelblich und ließen die Schatten drinnen nur undeutlich erkennen. Die Kneipe teilte sich das spitz zulaufende Ende der Straße mit einem winzigen Süßwarenladen, in dem es, abgesehen von dem flackernden Licht eines Fernsehers, völlig dunkel war, und einem verstaubt aussehenden Kiosk zu seiner Rechten. Im «Anodyne Necklace» mußten früher einmal die Reisekutschen Station gemacht haben, obwohl man sich kaum vorstellen konnte, wie eine Kutsche mit vier Pferden durch den halbverfallenen Torbogen gekommen war. Der Name des Gasthofs, auf den Stein des Torbogens gemalt, war kaum noch zu entziffern.
    «Ich glaube, das bedeutet ‹Heilmittel›», antwortete Jury auf Wiggins’ gemurmelte Frage, was es denn mit dem Namen auf sich habe. Niemand schien dringender eines gebrauchen zu können als Wiggins. Er stand mit eingezogenen Schultern da und nieste in sein Taschentuch.
     
    Der gelbe Schimmer der Fenster rührte nicht von elektrischen Deckenlampen, sondern von den Gasleuchten an der Wand her. Es gab noch weitere Überbleibsel viktorianischer Eleganz: den Wandschirm am einen Ende der Bar, die so lang war wie der ganze Raum; den alten Spiegelrahmen, der dringend einen neuen Silberbelag benötigt hätte. Ansonsten gab es einen mit Sägemehl bestreuten Boden, runde Tischchen aus Kiefernholz und harte Bänke an den Wänden. Eine völlig absurd aussehende Girlande mit elektrischen Weihnachtskerzen hing zur Erinnerung an das Fest oder in Erwartung des Festes herum. Frauen mittleren Alters saßen zu zweit oder dritt vor ihren Biergläsern und verfolgten so wachsam wie Gefängniswärterinnen, was ihre Männer machten; offenbar nicht gerade viel. Die meisten klammerten sich an ihre Gläser wie an nicht eingelöste Versprechen. Die Aktivitäten verteilten sich auf das Dartspiel im rückwärtigen Teil und einen Tisch, an dem eine Gruppe von fünf oder sechs Personen saß, der anscheinend ein beleibter Mann mit einem Zwicker vorstand; sie schienen sehr vertieft in ein Spiel zu sein.
    «Machst du ’nen Ausflug in die Slums, Süßer?»
    Das Mädchen, das Jury angesprochen hatte, trug über einer flammend roten, tief ausgeschnittenen Bluse ein Samtband um den Hals, und unter den schwarzgetuschten und mit blauem Lidschatten geschmückten Augen hatte sie sich einen Schönheitsfleck aufgemalt. Jury konnte sich nicht vorstellen, was für Kundschaft sie hier aufzutreiben hoffte. Wahrscheinlich lebte sie sowohl auf wie auch von der Straße.
    Der Mann hinter der Bar, der sich gerade umdrehte, um den weichen Schaum von einem Glas Stout zu streifen, schien sie bestens zu kennen. «Geh nach Hause, Shirl, und mach dein Schönheitsschläfchen. Du hast’s nötig, Mädchen. Was soll’s denn sein, Kumpel?»
    «Eine Auskunft», sagte Jury und beobachtete Shirls Abgang, die den Wink entgegengenommen hatte, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Der Wirt warf einen gelangweilten Blick auf Jurys Ausweis. «Ist wohl wieder wegen Ash, was?» Er nickte in die Richtung der Männer an dem Tisch. «Da drüben.»
    «Nein, nicht wegen Ash. Wegen Cora Binns. Wie heißen Sie, bitte?»
    «Harry Biggins.» Erstaunt zog er die Augenbrauen leicht in die Höhe, während er zwei Stammgästen, die in den Spiegel hinter der Bar starrten und so taten, als hörten sie nichts, die Biergläser hinschob. «Wegen Cora also? Kam mir immer ganz harmlos vor.»
    «Aber jemand anders war nicht harmlos. Sie wurde ermordet. Was wissen Sie über sie?»
    «Cora? Das ist doch nicht zu fassen.» Kaum war ihr Name über seine Lippen gekommen, schien er sich an rein gar nichts mehr zu erinnern; er wischte seinen Tresen und bestritt, Cora Binns je näher gekannt zu haben. Auch Wiggins’ Fragen ergaben nichts.
    Jury zog das Foto von Katie O’Brien aus seiner Tasche. «Und wie steht’s mit dieser

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