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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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sich von ihr abgewandt hatte und die Muschel dicht ans Ohr hielt.
    «Wenn Sie wüßten, wie leid es mir erst tut...» hatte sie ihn sagen hören.
    «Nein, nein, das wird nicht gehen...»
    «Kann ich Sie vielleicht zurückrufen? Wir sind im Moment sehr beschäftigt, aber ich könnte später, äh, nachsehen, und Ihnen dann, äh, genau sagen...»
    Sarah schenkte dem Anruf weiter keine Bedeutung.
    Es waren vor allem die Namen der Leute und die Zuordnung der Namen zu bestimmten Gesichtern, die ihr Schwierigkeiten machten. Nur ganz wenige waren ihr spontan noch präsent: Mrs. Fisher zum Beispiel, die aus Bedford stammende Monopoly-Siegerin, oder Mr. Dods («nur mit einem in der Mitte, mein Schätzchen!»). Auch Fred Andrews, den melancholisch-blickenden Billard-Crack aus Swindon, konnte sie sich vergegenwärtigen sowie das Paar aus Gloucester, einen Mr. und eine Mrs. Smith — ein Nachname übrigens, der in Hotelregistern mit überraschender Häufigkeit auftritt. Aber was die anderen anging, da ließ sie ihr Gedächtnis ziemlich im Stich. Wer waren zum Beispiel die Ballards aus Chipping Norton? Laut Anmeldeverzeichnis mußten sie als letzte eingetroffen sein, und Sarah meinte sich ganz vage erinnern zu können, daß Mrs. Ballard die Dame war, die, bis beinahe zur Unkenntlichkeit vermummt, fröstelnd am Empfang gestanden und sich den Schnee von den Füßen getreten hatte. Namen und Gesichter... Gesichter und Namen... Namen, die ihr wieder und wieder genannt wurden, so daß sie schließlich wie eine Art Echo in ihrem Kopf wiederhallten — zuerst von Sergeant Phillips, dann von Sergeant Lewis und schließlich von einem ausgesprochen ruppigen Chief Inspector namens Morse, der offenbar der Meinung gewesen war, daß ihrem vor Schock noch wie betäubten und sowieso vor Übermüdung fast außer Kraft gesetzten Gedächtnis durch Grobheit auf die Sprünge zu helfen sei. Arkwright, Ballard, Palmer, Smith... Smith, Palmer, Ballard, Arkwright.
    Merkwürdig, wie oft doch Namen einen Rückschluß auf den Charakter des Trägers zuließen, dachte Sarah. Der Name Arkwright zum Beispiel. Mrs. Arkwright hatte noch spät am Abend ihre Reservierung, das Zimmer Nummer vier in der Dependance, rückgängig gemacht, weil in ihren Augen eine Autofahrt bei dem herrschenden Schneetreiben an Selbstmord grenze. Die Absage hatte Sarah überhaupt nicht überrascht. Doris Arkwright — wie das schon klang! Mit diesem Namen war es ganz klar, daß sie nichts anderes sein konnte als eine übervorsichtige, schrecklich vernünftige, unausstehliche alte Ziege.
    Die Zahl der Gäste betrug jetzt nur noch achtunddreißig.
    Seltsamerweise mußte Sarah den ganzen Nachmittag über immer wieder an das Wort denken, das durch ihre Entscheidung beim Scrabble zugelassen worden war. Und der Zufall wollte es, daß sie am Abend, als sie es doch endlich fast vergessen hatte, erneut daran erinnert wurde. Und wieder war ihre Entscheidung gefordert. Einer der Gäste hatte sich nämlich als Karibe verkleidet, genauer gesagt als Rastafari, und die Jury, die die Kostüme bewerten sollte, war sich nicht einig, ob er überhaupt zur Konkurrenz zugelassen werden dürfe, da, so die Argumentation eines der Juroren, das Motto des Abends «Geheimnisvolle Welt des Ostens» laute und ein Rastafari als Westinder doch wohl den durch das Motto vorgegebenen Rahmen sprenge. Ein anderer der Juroren wandte dagegen ein, daß der Rastafari-Kult seinen Ursprung schließlich in Äthiopien habe, und Äthiopien liege ganz eindeutig östlich — im mittleren Osten eben. Hier mischte sich ein weiterer Gast ein mit der Frage, ob nicht überhaupt der Begriff relativ sei, abhängig davon, an welchem Punkt der Weltkugel man sich gerade befände. Das Ergebnis der Diskussion war, daß gewissermaßen ein also zum zweitenmal an diesem Tag für zulässig erachtet wurde.
    Der Neujahrstag würde schon halb herum sein, bevor man entdecken würde, daß die Zahl der Gäste sich schon weiter verringert hatte — es waren nur noch siebenunddreißig.

    Kapitel Sechs

31. DEZEMBER / 1. JANUAR

    Hüte dich vor allen Unternehmungen, bei denen du dich verkleiden mußt.
    Thoreau

    Zur Zeit , da unsere Handlung spielt, erlebten die schon längst totgesagten Kostümfeste eine unerwartete Renaissance. In Pubs, Clubs, Discos, auf Bällen und bei Parties — überall verkleidete man sich. Gleich einer Manie schienen die Leute gleich reihenweise dem Wunsch zu erliegen, sich in regelmäßigen Abständen

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