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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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bereitwillig zu, froh darüber, zur Abwechslung in ein freundliches Paar Augen zu sehen und eine freundliche Stimme zu hören. Sie überlegte. Nein, hundertprozentig sicher war sie sich nicht. Es hatte ein schwacher Wind geweht, und der Schnee, der auf dem Boden lag, war hochgewirbelt worden... Sie hatte so etwas wie Schneegestöber gesehen, aber ob das nun frische Flocken gewesen waren — das konnte sie nicht beschwören.
    «Nein», sagte sie nach einer Weile, «ich muß ehrlich zugeben, ich weiß es nicht genau.»
    «Der Meteorologe von Radio Oxford sagt nämlich», erläuterte Lewis, «daß es hier in der Gegend bereits ungefähr um Mitternacht zu schneien aufgehört habe. Er hält es für möglich, daß noch ab und zu etwas heruntergekommen ist, aber das sei nicht mehr der Rede wert gewesen.»
    «Mir ist nicht ganz klar, worauf Sie hinaus wollen, Sergeant...»
    «Ganz einfach. Wenn nach vierundzwanzig Uhr kein Schnee mehr gefallen ist, dann hätte jeder, der nach Mitternacht die Dependance verlassen hat, Fußspuren hinterlassen müssen...»
    Sarah versuchte sich zu erinnern. Ja, sie war sich ganz sicher. Als sie am Neujahrsmorgen aufgestanden war und aus dem Fenster geblickt hatte, war die weiße Fläche zwischen der Dependance und dem Hauptgebäude völlig unberührt gewesen. Die andere Frage war, hatte es nachts gegen ein Uhr noch geschneit oder nicht? Und auch da war sie sich inzwischen sicher, ja, es hatte noch geschneit, mochte der Meteorologe sagen, was er wollte.
    Lewis sah sie fragend an. «Nein», sagte sie, «da waren keine Fußspuren, das weiß ich genau. Aber was den Schnee angeht – ich bin mir jetzt ganz sicher, daß es in der Nacht noch geschneit hat.»
    «Sie meinen also, wenn ich Sie richtig verstehe, der Meteorologe habe unrecht?»
    «Ja.»
    Lewis war einigermaßen verwirrt durch die im Brustton der Überzeugung vorgetragenen Ansichten und suchte Morses Blick. Doch dann entdeckte er in seinen Augen wieder jenes merkwürdige Leuchten, so als ob irgendwo in seinem Gehirn ein Lämpchen angeknipst worden wäre, und wußte, daß er von ihm im Moment keine Hilfe erwarten konnte. Er mußte schon selbst versuchen, sich Klarheit zu verschaffen.
    «Aus allem, was Sie gesagt haben, schließlich, daß Sie annehmen, daß Mr. Ballard von einem der fünf anderen Gäste umgebracht worden ist?» sagte er vorsichtig.
    «Sie etwa nicht?» fragte sie erstaunt zurück. «Es war entweder Mr. oder Mrs. Palmer oder Mr. oder Mrs. Smith. Oder sogar Mrs. Ballard selber — wer immer sich hinter diesem Namen verbirgt.»
    «Ich verstehe.»
    Während Lewis und Sarah Jonstone miteinander redeten, hatte Morse aufmerksam ihr ungeschminktes Gesicht betrachtet, doch dann schien er plötzlich das Interesse zu verlieren. Er stand auf, dankte ihr und schien erleichtert, als sie das Zimmer verlassen hatte.
    «Ein paar wirklich intelligente Fragen, Lewis!» sagte Morse.
    «Finden Sie wirklich, Sir?»
    Aber Morse war in Gedanken schon bei anderen Dingen. «Es ist Zeit fürs Mittagessen», sagte er.
    Lewis, der aus langer Erfahrung wußte, daß Morse sein Mittagessen ausschließlich in flüssiger Form zu sich nahm, hatte nichts gegen ein Glas Bier und ein Sandwich einzuwenden, aber es ärgerte ihn, daß Morse keinerlei Anstalten machte, zu der strittigen Frage, ob es nun nach Mitternacht geschneit habe oder nicht, Stellung zu nehmen.
    «Also, was den Schnee angeht...»
    «Den Schnee? Ach, Lewis, alter Freund, der Schnee und die fehlenden Fußspuren — das sind doch alles nur falsche Fährten.»

    Sie gingen in den Eagle and Child in der St. Giles’ Street und nahmen an einem der Tische im Hinterzimmer Platz. Während er an seinem Sandwich kaute und ab und zu einen Schluck aus seinem Bierglas nahm, studierte Lewis die hölzerne Tafel, die gleich hinter Morse in Kopfhöhe an der Wand befestigt war:

    In den Jahren 1939 bis 1962 trafen sich C. S. LEWIS, sein Bruder W. H. LEWIS, J. R. R. TOLKIEN, CHARLES WILLIAMS und ein Kreis gleichgesinnter Freunde jeden Dienstagmorgen im Hinterzimmer dieses ihres Lieblings-Pubs. Die Gruppe, allgemein bekannt unter dem Namen , kam zusammen, um Bier zu trinken und, neben anderen Dingen, die gerade in Arbeit befindlichen Bücher zu diskutieren.

    Und während Lewis las, formte sich in seiner Phantasie, zweifellos beflügelt durch den zu dieser Stunde ungewohnten Alkoholgenuß, ein neuer, ganz anderer Text: In diesem Raum saßen an einem Donnerstagvormittag CHIEF INSPECTOR MORSE und sein

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