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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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jüngster Zeit. Der Mageninhalt des Toten bestand aus nichts als ein paar Gemüseresten, offenbar hatte er kurz vor seinem Tod nichts mehr zu sich genommen.
    Soweit der Bericht. Kein Wort über die Todeszeit, statt dessen eine Aufzählung medizinischer Fachausdrücke wie supra-orbitales Foramen und infra-orbitale Fissur, die Morse einfach stillschweigend ignorierte. Dem Bericht war noch eine in der krakeligen Handschrift des Pathologen verfaßte Nachricht beigefügt:

    An Morse: Durch die Verletzungen im Bereich der Concha inferior nasalis ist das Gesicht des Toten derartig entstellt, daß sich ein zur Identifizierung taugliches Foto nicht wird herstellen lassen — ganz abgesehen davon, daß jemand, der ihn kannte, beim Anblick eines solchen Fotos einen Schock davontragen dürfte. Hinzu kommt dann natürlich auch noch die normale Verfremdung der Gesichtszüge, wie sie jeder Tod mit sich bringt. Was nun den Zeitpunkt angeht, zu dem der Tod eintrat, so habe ich meinen präzisen Ausführungen von gestern nichts hinzuzusetzen. Kurz gesagt, Du weißt genausoviel wie ich, wobei ich zugeben muß, daß es mich, wenn Du mehr wüßtest, schon sehr verunsichern würde. Max.

    Morse las den Bericht, so schnell er konnte, und das heißt, daß er eine ganze Weile brauchte; er war immer schon ein langsamer Leser gewesen und hatte stets die Kollegen insgeheim beneidet, die in der Lage zu sein schienen, den Blick auf die Mitte der Seite gerichtet, auch noch das, was rechts und links stand, wahrzunehmen. Nachdem er fertig war, legte er die Blätter enttäuscht beiseite — zwei der wichtigsten Punkte waren überhaupt nicht geklärt.
    «Das ist doch wieder mal typisch, Lewis: sie sagen uns, sie wissen nicht, wer er ist, und sie wissen nicht, wann er starb!» knurrte er.
    Lewis grinste. «Das stimmt schon, aber trotzdem — er versteht sein Handwerk.»
    «Er gehört längst pensioniert! Er ist viel zu alt! Er trinkt zuviel! Zugegeben — er versteht sein Handwerk — noch. Aber es geht abwärts mit ihm.»
    «Dasselbe haben Sie von sich auch schon gesagt», erinnerte ihn Lewis vorsichtig.
    «Ja, und ich hatte recht: es geht mit uns allen abwärts.»
    «Sollen wir rübergehen und uns die anderen Zimmer mal ansehen?» fragte Lewis und stand auf in der Hoffnung, Morse durch seine vorbildliche Haltung aus seiner Lethargie zu reißen.
    «Glauben Sie, die hätten Ihnen zuliebe ihre Kreditkarten zurückgelassen?»
    «Man kann nie wissen, Sir», sagte Lewis und rasselte dabei ein wenig mit dem umfangreichen Schlüsselbund, das Binyon ihm gegeben hatte. Aber Morse blieb unbeweglich sitzen.
    «Soll ich allein gehen?»
    Morse gab sich einen Ruck. «Nein, wir werden beide rübergehen — Ihr Vorschlag war schon ganz richtig. Sie nehmen sich das Zimmer der Palmers vor.»
    Kurze Zeit darauf stand Morse in Nummer zwei, dem Zimmer, in dem die Smiths übernachtet hatten, und blickte sich eher lustlos um. Er erwartete nicht, etwas zu finden. Seufzend machte er sich schließlich an die Arbeit. Er schlug von beiden Betten die Decke zurück, zog die Schubladen der Frisiertoilette auf und warf einen Blick in den Wandschrank — nichts. Im Badezimmer verrieten die noch etwas feuchten Handtücher sowie die glitschige Seife in der Ablage über der Wanne, daß zumindest einer der beiden Smiths geduscht oder ein Bad genommen hatte. Die beiden Zahnputzbecher auf der Konsole über dem Waschbecken sahen ebenfalls benutzt aus. Der Papierkorb war leer — keine zerrissenen Briefe oder andere aufschlußreiche Papiere. Auf dem Teppich, vor allem in der Nähe der Tür, waren einige Schmutzflecken zu erkennen, wie sie Schuhe und Stiefel hinterlassen, mit denen man durch Schneematsch gestapft ist. Nichts von alledem jedoch war für ihn von Interesse, dachte Morse, denn die Smiths, wer immer sie auch sein mochten, hatten, dessen war er sich fast sicher, mit dem Mord nicht das geringste zu tun. Und für ihr Verhalten — erst im letzten Augenblick zu reservieren und dann, nach der Entdeckung der Tat, so schnell wie möglich das Weite zu suchen — gab es eine durchaus befriedigende Erklärung, auch ohne daß man sie gleich mit einem Verbrechen in Verbindung brachte. war, wie Morse ihn sich vorstellte, ein alter Lüstling aus der mittleren Management-Etage, der schon lange einmal scharf gewesen war auf seine neue, junge Sekretärin und nun die Feiertage genutzt hatte, um seiner Frau irgendein Märchen von einer Konferenz in den Midlands aufzutischen. So etwas war

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