Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden
auf den Oberschenkel gelegt, um, wie sie hoffte, einen Schauer der Erregung in ihm auszulösen. Tatsächlich waren sie sich dann auch über Zeit, Preis und Ort sehr schnell einig geworden, und so lag sie nun neben ihm im Bett und wartete darauf, daß die verabredeten zwei Stunden (die Stunde ä sechzig Pfund) endlich zu Ende waren. Sie hatte ihn gleich von Anfang an richtig eingeschätzt: Er war keiner von den stürmischen, besitzergreifenden Männern, die es darauf anlegten, in der vereinbarten Zeit so oft wie möglich mit ihr zu schlafen, sondern eher einer von der passiven Sorte, die auch schon genossen, ihr beim Ausziehen zuzusehen. Und die beiden Male, die er (bis jetzt) mit ihr geschlafen hatte, machten zusammengenommen denn auch nicht mehr als eine Viertelstunde aus, eine Tatsache, die Philippas eigenen Wünschen sehr entgegenkam. Es war natürlich möglich, daß der Mann nach , wie er sich ausgedrückt hatte, zu neuer sexueller Hochform auflaufen würde, aber im Moment sah es (zum Glück, wie Philippa fand) nicht danach aus. Die dauerte bereits längere Zeit, und sein gleichmäßiges Schnarchen ließ erwarten, daß sie auch so schnell nicht beendet sein würde.
Gegen Viertel vor eins hatte das Telefon zum erstenmal geklingelt, und der Mann, der gerade dabei gewesen war, sich auszuziehen, war, wie sie gemerkt hatte, durch das hartnäckige, nicht enden wollende Geräusch merklich irritiert worden. Sie hatte ihm erklärt, es könne sich nur um ihre Schwester handeln, und er hatte ihr offenbar geglaubt, zumindest hatte er sich so weit wieder entspannt, daß er eine Bitte äußern konnte: ob sie wohl im Bett einen Pyjama anziehen könne? Sie war über diese Bitte nicht weiter erstaunt gewesen, da sie lange genug im Geschäft war, um zu wissen, daß für viele Männer eine Frau halb ausgezogen wesentlich aufregender war als völlig nackt und daß das langsame Aufknöpfen eines Pyjama-Oberteils wesentlich erotischer war als das rasche Hochschieben eines Nachthemds.
Um zwei Uhr fünfzehn klingelte das Telefon zum zweitenmal. Philippa spürte die Blicke des Mannes auf ihren Brüsten, als sie sich nach vorn beugte, um den Hörer abzunehmen.
«Mrs. Palmer? Mrs. Philippa Palmer?» Die Stimme war laut und durchdringend, und sie wußte, daß der Mann neben ihr jedes Wort würde mithören können.
«Ja-a?»
«Mein Name ist Lewis. Sergeant Lewis von der Thames Valley Police. Ich würde mich gerne mit Ihnen darüber unterhalten...»
«Hören Sie, Sergeant, könnten Sie vielleicht in zehn Minuten noch einmal zurückrufen? Ich bin gerade im Bad und...»
«Na gut. Ich kann mich darauf verlassen, daß Sie in zehn Minuten auch wirklich zu erreichen sind?»
«Natürlich, natürlich. Ich bin hier.»
Der Mann im Bett neben ihr hatte sich, kaum daß er die Worte gehört hatte, abrupt aufgesetzt und eilig begonnen, sich anzuziehen, und Philippa war wieder einmal froh, daß sie wie stets auf vorheriger Zahlung bestanden hatte. Er war in Null Komma nichts fertig, sagte ihr hastig auf Wiedersehen und war verschwunden. Sie war erleichtert, ihn los zu sein, obwohl er, wie sie zugeben mußte, eigentlich ein recht angenehmer Kunde gewesen war. Schon lange hatte sie keinen Mann mehr mit so sauberer Unterwäsche gesehen, und er hatte auch nicht, wie es die meisten taten, angefangen, von seiner Frau zu sprechen — was natürlich auch daran liegen konnte, daß er unverheiratet war.
Exakt zehn Minuten später klingelte das Telefon zum zweitenmal, doch die Stimme am anderen Ende der Leitung war ihr unbekannt — eine interessante Stimme, die Bildung verriet und ihr gefiel. Sie gehörte einem gewissen Chief Inspector Morse.
Morse bestand darauf, Mrs. Palmer selber zu befragen. Es sei einfach vernünftiger, und obwohl er Lewis’ Angebot, nach Chiswick zu fahren, zu schätzen wisse, sei er doch der Meinung, daß die Anwesenheit des Sergeant im Hotel notwendig, ja geradezu unabdingbar wichtig sei. Lewis, der ähnliche Erklärungen im Laufe seiner langen Zusammenarbeit mit Morse schon des öfteren gehört hatte, lächelte still vor sich hin, während er den Chief Inspector zum Bahnhof fuhr, damit er noch rechtzeitig den Zug um 16.34 Uhr nach Paddington erreichte.
Kapitel Sechzehn
DONNERSTAG, 2. JANUAR
Und wer sucht, der findet.
Matth. 7,8
Lewis war, nachdem er Morse zum Bahnhof gebracht hatte, in großer Versuchung, es für heute gut sein zu lassen und nach Hause zu fahren. Er war
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