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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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auch noch einen ganz spezifischen Grund, warum sich Margaret nicht dazu hatte entschließen können, ihren Mann allein zu lassen. Gladys, in deren Abteilung sie seit dem Frühjahr arbeitete und mit der sie sich im Laufe der folgenden Monate angefreundet hatte, hatte ihr während einer Mittagspause anvertraut, wie ihr Mann sie vor etlichen Jahren einer anderen Frau wegen für ein paar Monate verlassen habe und wie sie sich noch lange, nachdem er wieder zu ihr zurückgekehrt sei, derartig verletzt und gedemütigt gefühlt habe, daß sie nicht habe glauben können, jemals wieder ihr altes Selbstbewußtsein zu erlangen. «Seit ich selbst diese Erfahrung gemacht habe, könnte ich es niemand anderem mehr antun.» Sie hatte das ganz zurückhaltend gesagt, ohne jeden Unterton moralischer Überlegenheit, und vielleicht gerade deshalb hatten ihre Worte bei Margaret großen Eindruck hinterlassen.
    An jenem Donnerstagnachmittag, an dem sie das entscheidende ausgesprochen hatte, war es zwischen ihr und dem Mann zu einer ersten großen Auseinandersetzung gekommen, und sie war erschrocken gewesen über den Ausdruck potentieller Gewalttätigkeit in seinen Augen. Obwohl er sich allmählich wieder beruhigt hatte, hatte sie die ganze nächste Woche immer neue Vorwände ersonnen, ihn nicht sehen zu müssen, und selbst das bis dahin nie in Frage gestellte wöchentliche Treffen am Donnerstag abgesagt. Das hätte sie lieber nicht tun sollen — die folgenden vierzehn Tage wurden zum reinen Alptraum. Er rief sie an ihrer Arbeitsstelle an, obwohl er wußte, daß sie mit mehreren Frauen in einem Raum saß und nicht ungestört sprechen konnte. Die Augen der anderen im Rücken und in dem Bewußtsein, daß alle neugierig mithörten, hatte sie versucht, sich so ungezwungen wie möglich zu geben, und ihm zugesagt, sich bei ihm zu melden. Und das hatte sie auch getan. Sie hatte ihn angerufen und ihm vorgeschlagen, sich ein paar Wochen nicht zu sehen; vielleicht hätten sie hinterher dann mehr Klarheit über ihre Gefühle. Einen Tag später bekam sie seinen ersten Brief, in dem er sie, und zwar in durchaus liebevollem Ton, bat, ob sie sich nicht doch wie bisher jeden Donnerstag sehen könnten. Der Brief war, offenbar mit Rücksicht auf ihren Mann, an ihre Arbeitsstelle adressiert gewesen. Als sie auf diesen Brief nicht antwortete - sie wußte nicht, was sie hätte schreiben sollen — , hatte er ihr einen zweiten Brief geschickt — diesmal nach Hause. Morgens um acht Uhr, eine Stunde, bevor sie zur Beerdigung gehen wollte, hatte sie ihn vor der Tür auf der Fußmatte gefunden. Ihr Mann war zum Glück noch im Bett gewesen. Sie hatte den Umschlag aufgerissen und den Inhalt des Briefes kurz überflogen. Ein Geräusch auf der Treppe hatte sie zusammenfahren lassen, und sie hatte den Brief hastig in ihre Handtasche gestopft.
    Als sie und Tom sich eine halbe Stunde später beim Frühstück am Küchentisch gegenübersaßen, hatte sie ihrem Mann kaum gewagt in die Augen zu blicken und so getan, als sei sie in die Reisebroschüre vertieft, die sie sich am Tag zuvor während ihrer Mittagspause in einem Reisebüro in Summertown hatte geben lassen. Ihre Gedanken hatten um den Brief gekreist, diesen gemeinen, schäbigen Brief, sie hatte ihrem Liebhaber — ihrem Ex-Liebhaber — inbrünstig den Tod gewünscht.
    Erst nach vier Tagen, am Mittwoch der nächsten Woche, hatte Tom Bowman seiner Frau eröffnet, daß er den Brief gefunden habe und Bescheid wisse. Sie war zunächst erschreckt und entsetzt gewesen und hatte angstvoll auf einen Wutausbruch gewartet oder darauf, daß er ihr gegenüber gewalttätig wurde. Doch nichts dergleichen war passiert. Die Entdeckung des Briefes schien ihn völlig verändert zu haben, und im nachhinein wäre es Margaret lieber gewesen, er hätte geschrien oder sie geschlagen. Viel lieber. Statt dessen hatte er ihr seinen Plan erläutert, einen Plan, geboren aus blinder Eifersucht und wilden Rachephantasien. Seine Stimme, und das war das Grauenhafte gewesen, hatte dabei ganz ruhig geklungen, denn nur der wilde, fanatische Ausdruck in seinen Augen hatte ahnen lassen, wie aufgewühlt er war. Das, was er ihr erläutert hatte, hatte in ihren Ohren so absurd und verrückt geklungen, daß es ihr schwergefallen war, seine Worte ernst zu nehmen. Doch langsam, aber unausweichlich war durch die Idee, die er an jenem Mittwoch vor ihr ausgebreitet hatte, eine Entwicklung in Gang gesetzt worden, die schließlich mit Mord geendet

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