Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden
der Jahre auf die eine oder andere Weise verändert, aber der Charakterwandel, der sich bei Tom, ihrem Ehemann, vollzog, war von so grundsätzlicher Art, daß sie manchmal Schwierigkeiten hatte, in ihm noch den Mann zu erkennen, den sie einmal geheiratet hatte. Der Gedanke, daß er eines Tages durch einen unsinnigen Zufall dahinterkommen könnte, daß sie ihn betrog, versetzte sie jedesmal in Panik, denn seit er trank, traute sie ihm durchaus zu, daß er ihr oder dem anderen Mann oder auch sich selbst etwas antun würde, wenn er jemals davon erführe. Ihr Verhältnis bestand schon seit mehreren Monaten - sie hatte ihn im Spätsommer kennengelernt — , bevor ihr klar wurde, daß eine außereheliche Beziehung nicht weniger risikoreich ist als eine Ehe. In den ersten Wochen war ein Nachmittag alle acht Tage noch genug gewesen. Er hatte die Möglichkeit, als Ausgleich für Überstunden an Sonn- und Feiertagen unter der Woche einen Tag frei zu nehmen, und so hatten sie sich jeweils donnerstags, wenn sie ohnehin einen freien Nachmittag hatte, getroffen. Einen Ort für ihr Stelldichein zu finden war nicht schwierig gewesen: Er wohnte in Nord-Oxford in einem Einfamilienhaus, das früher einmal Eigentum der Stadt gewesen war, inzwischen aber ihm gehörte. In den ersten zwei, drei Monaten war alles wunderbar gewesen. Er schien rücksichtsvoll, las ihr jeden Wunsch von den Augen ab und schien an allem interessiert, was sie ihm erzählte. Mit der Zeit jedoch änderte sich sein Verhalten. Er wurde fordernder, hörte ihr nur noch unaufmerksam zu, war mitunter sogar grob. Und wenn sie miteinander schliefen, ging es ihm - so hatte Margaret den Eindruck — in erster Linie um die Befriedigung seiner eigenen Wünsche. Er drängte, daß er sie mehr als einmal in der Woche sehen müsse, und irgendwann hatte er sie soweit, daß sie begann, ihrem Arbeitgeber irgendwelche erfundenen Geschichten zu erzählen von unaufschiebbaren Zahnarztbesuchen und von schwerkranken Verwandten, die ihrer Hilfe bedürften. Doch damit nicht genug, hatte sie ein- oder zweimal sogar ihren Mann angelogen und ihm das alte Märchen von den Überstunden aufgetischt, die unbedingt notwendig seien, da sie mit ihrer Arbeit nicht nachkomme. Einerseits verabscheute sie diesen Mann, der da plötzlich in ihr Leben eingedrungen war und dessen so heftig beteuerte Liebe zu ihr innerhalb weniger Monate zu bloßer sexueller Lust verkommen war, andererseits enthielt auch ihre Leidenschaft Anteile rein körperlicher Lust, und diese Anteile ließen sie genauso egoistisch und fordernd sein, wie er es war. Im Bett waren sie einander so die ideale Ergänzung, und je mehr er sie benutzte und für seine eigenen Wünsche mißbrauchte, um so größer war ihre sexuelle Erregung. Daß niemand anderes als sie selbst das Objekt seiner anscheinend unstillbaren Lust war, erfüllte sie mit Staunen, Entzücken und einem Gefühl nie gekannter Genugtuung und Bestätigung, nach dem sie beinahe süchtig wurde. Als das Jahr sich dem Ende zuneigte, wuchs in ihr der Verdacht, daß sie ihn fast genauso brauchte wie er sie, doch etwas in ihr weigerte sich, darüber nachzudenken, was dies für sie beide bedeutete. Bis sie dann eines Tages doch den Tatsachen ins Gesicht sehen mußte. Seine Ansprüche an sie schienen beinahe täglich zuzunehmen, zuletzt hatte er sie sogar dazu überredet, sich während ihrer Mittagspause mit ihm zu treffen, obwohl sie die knappe halbe Stunde viel lieber dazu benutzt hätte, mit ihrer Freundin Gladys Taylor in den Dew Drop zu gehen, dort ein Glas Rotwein zu trinken und einen Sandwich zu essen. Die große Konfrontation war unvermeidlich, und eines Tages war es dann soweit. Er hatte sie aufgefordert, ihren Mann zu verlassen und zu ihm zu ziehen. Sie hatte mit sich kämpfen müssen, doch am Ende hatte ihre Antwort gelautet.
Warum sie es schließlich abgelehnt hatte, hätte sie selbst kaum erklären können. Vielleicht, weil es ihr ganz einfach widerstrebte, ihr bisheriges Leben so einfach über den Haufen zu werfen, oder weil sie sich über viele Jahre so an ihren Mann gewöhnt hatte und es keine Rolle mehr spielte, daß er langweilig und in seinem Beruf erfolglos war und einen Bauch hatte. Ganz alltägliche, banale Dinge, wie die Raten für das Auto, die Lebensversicherung und die Hypothek auf das Haus legten plötzlich Zeugnis ab für ihre Gemeinsamkeit. Und nicht zuletzt war es auch der Kreis von Freunden und Verwandten, der sie zusammenschweißte. Aber es gab
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