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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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sind uns auf der Spur, und ich habe keine andere Wahl, als mich abzusetzen. Ich habe Dir nie alles über mich erzählt, aber Du wirst ja mitbekommen haben, daß nicht alles, was ich gemacht habe, ganz legal war. Wenn sie mich jetzt fassen, dann wandere ich für die nächsten Jahre ins Gefängnis — das könnte ich nicht aushalten. Ich dachte, daß es ihnen vielleicht einfallen könnte, unsere Ersparnisse zu konfiszieren, und habe deshalb das Konto aufgelöst. Die Hälfte des Geldes — sechshundert Pfund — lege ich Dir in dreißig Zwanzig-Pfund-Noten in Dein Versteck — als Vorsichtsmaßnahme, falls die Bullen vor Dir hier sein sollten.
    Und denke immer daran: Wenn ich jemals einen Menschen geliebt habe, dann Dich! Es tut mir leid, daß alles so zu Ende gehen mußte, aber es bleibt mir kein anderer Weg.
    Immer Dein
    John

    Sie las den Brief ohne Erschrecken, eher mit einer Art resignierter Erleichterung. Sie wußte seit langem, daß es irgendwann schiefgehen würde, das hektische Leben mit diesem Schwindler und Betrüger, der sie geheiratet und von Zeit zu Zeit fast überzeugt hatte, daß er sie liebte. Und das war auch das einzige, worüber sie etwas Trauer empfand: daß er sie verlassen hatte. Wenn er geblieben wäre, bei ihr geblieben wäre und mit ihr zusammen den Dingen ins Auge gesehen hätte, dann wäre ihr alles andere egal gewesen und der heutige Tag ein Tag des Triumphs für sie geworden.
    Sie war gerade im Schlafzimmer, um sich umzuziehen, als sie es unten an der Tür klingeln hörte.

Kapitel Einundzwanzig

FREITAG, 3.JANUAR

    Als wenn neu angehoben
    So rollt der alte Ozean zur Küste langgestreckte Wellen
    Auf deren Rücken der kurzleb’ge Schaum, wie Reif
    Gemächlich birst mit eigenwill’ger Trägheit.
    John Keats

    Morse hatte, da die Smiths offenbar nicht da waren, einen Moment überlegt, ob er Lewis anrufen und ihre Verabredung um elf Uhr in der Eddleston Road absagen sollte. Aber dann ließ er es. Die Aussicht, noch einen Zug besteigen, sich in ein weiteres Taxi setzen zu müssen, war zu unerfreulich, und außerdem hatte er fast kein Bargeld mehr. Um zehn Minuten vor elf Uhr klingelte er erneut bei den Smiths, aber auch diesmal machte niemand auf. Die Eddleston Road lag in einem relativ gepflegten Wohnviertel, doch nur wenige hundert Meter weiter südlich wurden die Straßen enger, und an die Stelle der komfortabel wirkenden Einfamilienhäuser traten häßliche Reihenhäuser aus rotem Backstein, die noch aus der Zeit Victorias stammten. Morse fühlte sich, während er die heruntergekommene Gegend durchstreifte, auf einmal sehr wohl, fast glücklich. Dies mochte an der ungewohnten Umgebung liegen, daran, daß er, was selten war, die Muße einmal so richtig genießen konnte, weil es im Moment ohnehin nichts gab, was er hätte tun können, und schließlich spielte vielleicht auch eine Rolle, daß er einen Pub entdeckt und nach einem Blick auf die Uhr festgestellt hatte, daß sie gleich aufmachen würden.
    Der Peep of Dawn 1 (Morse hatte selten einen einladenderen Namen für einen Pub gehört) bestand nur aus einem einzigen großen Raum, der längs der Wände mit Holzbänken ausgestattet war. Morse bestellte sich, nicht ohne sich vorher beim Wirt erkundigt zu haben, welches Bitter die Stammgäste bevorzugten, ein Bier und verzog sich dann mit seinem Glas in die Fensternische. Zufrieden vor sich hinsüffelnd, hing er seinen Gedanken nach. Und wie oft bei solchen Gelegenheiten, stellte er sich wieder einmal die Frage, ob die von ihm häufig und mit Vehemenz vorgetragene Behauptung, er denke besser, wenn er ein gewisses Extra-Quantum Alkohol intus habe, tatsächlich stimme oder ob er nur wollte, daß dem so sei. In den letzten Monaten war ihm dieses post hoc, ergo propter hoc immer zweifelhafter geworden, und gelegentlich hatte er sogar Überlegungen angestellt, ob vielleicht Wunschdenken seine ansonsten vielgelobten logischen Fähigkeiten getrübt haben könnte. Fest stand — und das hatte er inzwischen längst akzeptiert — , daß für ihn das Leben nach ein paar Glas Bier viel von seinen Schrecken verlor und daß das Gefühl relativer Geborgenheit offenbar Energie freisetzte, denn die überraschende Lösung für irgendein schwieriges Problem fand er ausschließlich in dieser alkoholselig-unbeschwerten Stimmung. Vielleicht, so hatte er schon manches Mal gedacht, half Alkohol auch einfach als Flüssigkeit an sich, bestimmte gedankliche Prozesse leichtgängiger, eben flüssiger zu machen. Wenn er

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