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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Doch sobald sie jemand ansprach und sie zu lächeln begann, war dieser Eindruck vergessen. Ihr Gesicht strahlte dann unerwartet auf, die Lippen teilten sich und entblößten eine Reihe regelmäßiger weißer Zähne, ihre grünen Augen wurden lebendig. So auch jetzt. Den Druck seiner Hand erwidernd, lächelte sie ihm zu.
    «Ich danke dir», sagte sie leise.

    Bevor John Smith an diesem Tag aus dem Haus ging, legte er seiner Frau fünf Zwanzig-Pfund-Noten auf den Tisch — sie solle nach London fahren und sich im Ausverkauf einen neuen Mantel kaufen. Sie widersprach, doch er bestand darauf und wartete sogar, bis sie fertig war, um sie noch zum Bahnhof zu bringen. Der nach London fuhr pünktlich um 8.40 Uhr, und er winkte ihr lange nach.
    Die Fahrt nach Paddington dauerte nur eine halbe Stunde, und gerade als ihr Zug auf Gleis fünf ankam, erhielt drei Gleise weiter der Gegenzug — mit Morse an Bord — das Signal zur Abfahrt. Da seine beiden Reisegefährten, wie wir bereits wissen, nichts zur Unterhaltung beitrugen, vertiefte er sich in die Sun. Zu Hause holte er sich immer die Times, nicht weil er sie besonders schätzte (er las immer nur die Leserbriefe und löste das Kreuzworträtsel), sondern weil die Zeitungshändlerin, die gleichzeitig noch Stadtverordnete war, Morses berufliche Position kannte und ihn, wie er hintenrum erfahren hatte, mehr als einmal einen wirklich kultivierten Mann> genannt hatte. Diese gute Meinung hatte er nicht ohne Not in Gefahr bringen wollen.

    Am Bahnhof in Reading nahm Morse sich ein Taxi. Die Smiths wohnten in der Eddleston Road 45. Am Ziel angekommen, bat Morse den Fahrer zu warten. Er stieg aus, überquerte die Straße und klingelte.
    Als kaum eine Minute später John Smith in die Straße einbog, fiel sein Blick sofort auf das Taxi, das direkt gegenüber seinem Haus geparkt stand. Er blieb abrupt stehen und wandte sich dann mit scheinbar plötzlich erwachtem Interesse dem Schaufenster des kleinen Eckladens zu, in dem Dutzende rechteckiger, weißer Notizzettel hingen, auf denen eine Vielzahl wundervoller Gelegenheiten angepriesen wurde, angefangen bei Turnschuhen (kaum getragen) bis hin zu einer Sammlung alter Elvis-Platten (kaum gespielt). Dem Auspuff des Taxis entquoll ein Strom bläulicher Abgase, und endlich entdeckte Smith in der spiegelnden Schaufensterscheibe auch den Fahrgast, auf den das Taxi offenbar wartete: einen Mann in einem teuer aussehenden dunkelgrauen Wintermantel, der, so wie er da die Fensterfront musterte, anscheinend nicht recht glauben wollte, daß bei den Smiths keiner zu Hause war. Nach ein paar Minuten, die John wie eine Ewigkeit erschienen, schien der Mann aufzugeben, warf noch einen letzten Blick auf das Haus und ging dann achselzuckend zurück zum Taxi, das, nach beiden Seiten Schneematsch verspritzend, davonbrauste.

    John Smith betrat den kleinen Eckladen, kaufte zwanzig Silk Cut, stellte sich vor den Zeitschriftenständer und blätterte in drei, vier verschiedenen Zeitschriften wie der Anglerpost, dem Amateurfotograf und der Radiowoche. Aber offenbar entsprach keines der Magazine so ganz seinem Geschmack, dann verließ er den Laden. Er hatte sich auf seine unfehlbare Witterung für Gefahr immer etwas zugute gehalten und war sich jetzt absolut sicher, daß die Luft rein war. Doch die lässige Gemächlichkeit, mit der er jetzt die Straße hinauf zu seinem Haus ging, rührte weniger aus einem Gefühl von Sorglosigkeit her, sondern war vielmehr das Ergebnis in langen Jahren erworbener professioneller Vorsicht.
    Er war, was die Dinge des täglichen Lebens anging, ein Pedant, und so war er selbst jetzt versucht, schnell noch das Frühstücksgeschirr abzuwaschen, vor allem die beiden Messer, die mit vielfach ungesättigter Flora und Cooper's Oxford Marmelade beschmiert waren. Aber die Zeit würde knapp, das wußte er. Den BMW war er zum Glück schon los — er hatte den gerade erst drei Jahre alten Wagen für lächerliche sechstausend Pfund in Reading an einen Autohändler verkauft. Und anschließend war er dann noch zur Zentrale von Lloyds Bank gegangen, hatte das gemeinsame Konto aufgelöst und sich die eintausendzweihundert Pfund in bar auszahlen lassen.

    Helen hatte sich währenddessen im Kaufhaus Selfridges einen weißen Regenmantel gekauft (so einen, wie ihn die vielbewunderte Philippa Palmer getragen hatte) und war kurz nach zwölf Uhr wieder zu Hause. Noch in der Tür fiel ihr Blick auf den Zettel neben dem Telefon.

    Helen, meine Liebste!
    Sie

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