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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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wird sie über seine Entdeckung ziemlich bald informiert haben und auch darüber, daß er vorhabe, ihr zu helfen, indem er den anderen — ihren Geliebten, seinen Nebenbuhler — beseitigte. Daß eine solche Tat darüber hinaus ihm auch Genugtuung für seinen verletzten Stolz verschaffen würde, wird er dabei unerwähnt gelassen haben. Wir beide, Lewis, arbeiten nun schon seit Jahren zusammen und haben, ich weiß nicht wie viele, Geständnisse gehört, aber die Motive lassen sich im Grunde an den Fingern einer Hand abzählen: Haß, Eifersucht, Rache, Gier — manchmal Angst. Und was immer es auch hier gewesen sein mag, wir können, glaube ich, in jedem Fall davon ausgehen, daß Bowman offenbar seine Frau dazu bewegen konnte, ihm für die Ausführung der Tat ihre Hilfe zuzusagen. Wie dieser Plan genau aussah, werden wir vermutlich nie erfahren, es sei denn, Margaret Bowman entschließt sich, es uns zu erzählen. Das einzige, was wir wissen, ist, daß Bowman einen Brief schrieb, der sie für den Fall, daß sie nach dem Mord an in Verdacht gerieten, entlasten sollte, damit Margaret als betrogene Ehefrau erschien, die eigentlich das Mitleid ihrer Umwelt verdient hätte, und darüber hinaus den Eindruck erweckte, er selbst sei zur Tatzeit Hunderte von Kilometern vom Schauplatz des Mordes entfernt gewesen.»
    «Aber das wußten wir doch alles schon längst...» wandte Lewis ein.
    «Lassen Sie mich ausreden, Lewis, ich bin noch nicht fertig. Das Wichtigste kommt erst noch. Irgendwann nämlich erfuhr Bowmans Plan eine Änderung. Und die einzige, die diese Änderung bewerkstelligen konnte, war Margaret Bowman, die offenbar inzwischen zu dem Entschluß gekommen war, daß, wenn sie sich schon zwischen beiden Männern entscheiden mußte, sie doch in Zukunft lieber mit ihrem Geliebten als mit ihrem Ehemann leben wollte. Soweit alles klar, Lewis? Die Einzelheiten sollen uns im Moment nicht interessieren, das Entscheidende ist: der ursprüngliche Plan, den störenden Geliebten zu beseitigen, wird ersetzt durch einen anderen, der vorsieht, den lästigen Ehemann um die Ecke zu bringen.»
    «Aber nützt uns dann der Brief, den ich gefunden habe, überhaupt?» fragte Lewis. Der Schwung und das Selbstvertrauen von vorhin waren schon beinahe wieder verschwunden.
    «Ja, natürlich! Und Ihre Analyse des Briefes, Lewis, war großartig. Ein Muster an Logik und Klarsicht, nur leider...»
    Lewis spürte einen Stich in der Herzgegend. Er wußte, was Morse sagen wollte, und da sagte er es schon lieber selbst.
    «Nur, daß ich leider irgendwo einen wichtigen Hinweis übersehen habe, oder?»
    Morse wartete einen Moment, dann sagte er mit einem, wie er hoffte, mitfühlenden Lächeln: «Nein, Lewis, nicht einen, zwei.»

Kapitel Siebenunddreißig

DIENSTAG, 7. JANUAR

    Stell an den höchsten Treppenabsatz dich — Stütz dich auf einen Gartenkrug — Web, web dir in dein Haar das Sonnenlicht
    T. S. Eliot, La Figlia che Piange

    «Die Schlußfolgerungen, die Sie aus dem Brief gezogen haben, Lewis, sind, wie ich schon sagte, ein Muster an Logik und Klarsicht, allerdings sind Ihnen zwei wichtige Punkte, die Ihnen hätten auffallen können, entgangen. Punkt eins (Morse überflog den Brief, bis er die entsprechende Stelle gefunden hatte), er schreibt: Ich finde diesen Satz ausgesprochen aufschlußreich, denn er impliziert, daß der Schreiber des Briefes, unser also, Margaret Bowman, wenn er nur gewollt hätte, sehr wohl hätte kompromittieren können. Und das setzt voraus, daß er zumindest eine Zeitlang in Margarets näherer Umgebung gewesen ist, und zwar, da von ihren Kolleginnen die Rede ist, an ihrem Arbeitsplatz, das heißt, in der Delegacy. Wie ich vorhin von Miss Gibson, der Amtsleiterin, zufällig erfahren habe, hatten sie dort im vergangenen Jahr Ärger mit dem Dach gehabt und den ganzen Sommer über, von Mai bis September, war mindestens ein Dutzend Handwerker mit der Erneuerung beschäftigt.»
    Lewis pfiff leise durch die Zähne. Wenn das, was Morse da gesagt hatte, tatsächlich stimmte...
    «Aber es gibt noch einen zweiten Punkt», fuhr Morse fort, «der noch eindeutiger ist. Ganz am Ende des Briefes, in den letzten Zeilen, wird er regelrecht poetisch — ein wirklich schönes Bild übrigens, das er da benutzt: