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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Bild — das macht die Sache einfacher.»
    «Ich verstehe», sagte Morse.

    Als Morse im Präsidium eintraf, erwartete ihn dort ein Brief. Er steckte in einem einfachen weißen Umschlag und war in London abgestempelt. Unter der fehlerfrei getippten Adresse stand der Vermerk: Vertraulich. Ein Absender fehlte. Morse nahm an, daß der Brief eine Mitteilung bezüglich des Mordfalles enthielte, doch er hatte sich getäuscht. Der Brief lautete:

    Dies ist ein Liebesbrief, aber Sie brauchen keinen Schrecken zu bekommen; er ist im Grunde ganz belanglos, da er ohne Konsequenzen bleiben wird. Sie sind zur Zeit mit der Untersuchung eines Mordes befaßt, und es war anläßlich Ihrer Ermittlungsarbeit, daß wir uns begegnet sind. Ich weiß selbst nicht, wie es passieren konnte, daß ich mich so einfach in Sie verliebt habe — aber genau das ist geschehen!
    Ich hätte Ihnen diesen Brief nie geschrieben, wenn ich nicht gerade zufällig eine Hardy-Biographie lesen würde, in der geschildert wird, wie der Dichter sein Leben lang das Gesicht eines Mädchens nicht vergessen konnte, das ihm einen Moment lang zugelächelt hatte, während er an ihr vorüber ritt. Und obwohl Hardy den Namen des Mädchens wußte und sie sogar ganz in seiner Nähe wohnte, lernten sie sich nie kennen, noch wechselten sie jemals auch nur ein einziges Wort miteinander. Nachdem ich das gelesen habe, weiß ich, daß ich Glück gehabt habe: Ich habe wenigstens mit Ihnen gesprochen.
    Sie können diesen Brief jetzt zerreißen; mir war es nur wichtig, einmal auszudrücken, was ich fühle. Manchmal wünsche ich mir, ich zählte zu den Verdächtigen... Werweiß, vielleicht bin ich ja die Mörderin? Ich ließe mich gerne von Ihnen verhaften...

    Der Brief trug weder eine Anrede noch war er unterschrieben. Morses Gefühl beim Lesen schwankte zwischen Befremden und Faszination. Doch wie sie ganz richtig schrieb, der Brief war im Grunde ganz belanglos, da er ohne Konsequenzen bleiben würde. Und doch machte er sich natürlich Gedanken (welcher Mann hätte das nicht getan!), wer sie wohl sein mochte. Der Ton des Briefes hatte ihm eigentlich gefallen, und er mußte zugeben, daß sie zumindest Mut besaß — außerdem hatte sie nur einen einzigen orthographischen Fehler gemacht!
    Um zehn nach fünf riß ihn ein Anruf von Lewis jäh aus seinen Träumen. Der Sergeant war völlig aus dem Häuschen.

Kapitel Sechsunddreißig

DIENSTAG, 7. JANUAR

    Wenn du das Wesen eines Autors begriffen hast, kommt das Verständnis seiner Werke von selbst.
    Longfellow

    Lewis entdeckte den fotokopierten Brief in der Brusttasche eines alten Sportsakkos, und er brauchte nicht mehr als die erste Seite zu lesen, um zu wissen, daß dieser Brief genau das Beweisstück war, das Morse sich erhofft hatte. Sein Anruf im Präsidium fiel entsprechend überschwenglich aus. Morses Freude war fast noch größer als die des Sergeant, und als er eine halbe Stunde später endlich die vier Bögen in der Hand hielt, betrachtete er sie mit einer Andacht, nicht unähnlich der eines Bibelforschers, dem man gestattet hat, den Codex Vaticanus einzusehen.

    Du bist ein egoistisches Biest, aber wenn Du denkst, Du kannst Dich jetzt so ohne weiteres zurückziehen, wie es Dir paßt, dann mach Dich auf Ärger gefaßt, vielleicht habe ich da auch noch ein Wörtchen mitzureden. Wenn Du vorhast, mich wie ein Stück Dreck zu behandeln, dann mach Dir am besten gleich klar, daß ich es Dir heimzahlen werde. Und ich warne Dich: Ich kann ganz schön gemein sein, wenn ich will, so gemein wie Du jedenfalls allemal. Und wie gern hast Du doch alles genommen, was ich Dir geben konnte, und die Tatsache, daß ich es Dir auch geben wollte, heißt noch lange nicht, daß wir jetzt quitt wären und Du so mir nichts, dir nichts alles hinschmeißen und so tun kannst, als sei nichts gewesen. Nun, der Zweck dieses Briefes ist, Dich eines Besseren zu belehren. Und gib Dich keinen falschen Hoffnungen hin — ich meine es ernst. Du hast immer behauptet, Du könntest im Büro nicht frei sprechen, aber diesen Eindruck hatte ich am vergangenen Montag ganz und gar nicht — ich fand Deine Worte mehr als eindeutig! Nein, diese Woche hättest Du keine Zeit, nächste Woche auch nicht, und in der Woche darauf seist Du ebenfalls sehr beschäftigt! Ich weiß, daß Du mir, was das Alter angeht, drei Jahre voraus bist, aber glaub bloß nicht, daß Du deshalb klüger bist. Du solltest inzwischen gelernt haben, daß man mich nicht an der Nase herumführen kann —

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