Inspiration – Du sollst mein sein!
gewesen, der Mörder von Geraldine und von all den anderen Menschen.
Corinne erschauerte bei dem Gedanken, was möglicherweise noch vor ihr lag, wenn sie sich nicht so schnell es ging befreien konnte. Auf Hilfe zu warten war zwecklos. Dank ihrer eigenen Dummheit wusste niemand, wo er mit seiner Suche beginnen sollte. Keiner würde sie schnell genug finden, um sie zu retten.
Denk nach, Corinne … denk nach! Zuerst die Hände …
Ungeduldig begann sie zu tasten, zerrte an jedem Stück Schnur, das sie zwischen ihre klammen Finger bekam. Und tatsächlich, die Schnur gab nach. Entweder hatte ihr Entführer keine Ahnung davon, dass die Schnur leicht elastisch war, dann hätte er einen kapitalen Fehler gemacht … oder es interessierte ihn nicht. Aber wieso nicht? Ging er vielleicht davon aus, dass sie, selbst wenn sie ihre Hände befreien konnte, nicht entkam? Oder war er nur kurz draußen und kehrte gleich zurück?
Corinne verdoppelte ihre Anstrengungen. Die Schnur – obwohl dehnbar und nicht besonders fest geschnürt – schnitt tief in ihre Handgelenke. Langsam stockte der Blutfluss, durch ihr Zerren und Ziehen blockiert. Ihre Hände begannen, taub zu werden. Corinne fluchte gotteslästerlich, etwas, was sie schon seit Jahren nicht mehr getan hatte. Ihr schossen Tränen der Wut in die Augen. Sie riss, zerrte, zog und war schließlich völlig überrascht, als sie es tatsächlich schaffte, ihre Hände zu befreien. Sofort floss das Blut zurück in die zuvor abgeschnürten Adern, es prickelte und stach höllisch.
Sie setzte sich auf und rieb ihre Hände fest aneinander, klopfte damit auf ihre Oberschenkel und lachte unwillkürlich laut auf, obwohl die Situation eigentlich keinen Grund dazu bot. Es war ein herrliches Gefühl, zumindest wieder über den eigenen Körper verfügen zu können. Auch wenn einige Teile dieses Körpers im Moment ein Eigenleben zu entwickeln schienen. Tausend Ameisen … aah … tausende von ihnen rannten ihre Hände und Unterarme hinauf und hinunter.
Geduld, Corinne, hab ein klein wenig Geduld. Es ist gleich vorbei, und alles ist wieder okay …
Wenige Minuten später, für Corinne gefühlte Stunden, waren ihre Hände so weit in Ordnung, dass sie sie wieder gebrauchen konnte. Nichts hielt sie mehr auf dem muffig riechenden Feldbett. Eine Tür, hier musste es doch eine Tür geben. Wo war nur diese verdammte Tür?
* * *
Er war sehr zufrieden mit sich. Wenn sie sich nicht unglaublich ungeschickt anstellte, dann sollte es der hübschen Corinne gelingen, die Fesseln zu lösen und sich zu befreien. Wie sie das mit der Tür schaffte, war ihr Problem. Es wäre wirklich zu einfach gewesen, wenn er sie in einem unverschlossenen Raum zurückgelassen hätte. Sie konnte eigentlich froh und dankbar sein, dass sie noch lebte und – wenn sie kein völliger Versager war – auch weiterleben würde.
Er war wirklich barmherzig und gut. Auf ihren Tod zu verzichten war eine großmütige Tat gewesen. Er fühlte sich wie ein Gott, Herr über Leben und Vernichtung …
Nun war es an der Zeit, sie zu holen und ihn , den Störer , auszulöschen. Nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge.
Das Haus kam in Sicht, sein Haus … wie erwartet, nur noch eine Wache … gut, sehr gut … alles nach Plan.
Trotzdem war es besser, Vorsicht walten zu lassen.
Geduld … sie ist so nah … ich fühle sie … bald rieche ich sie … höre ihre Stimme …
Reiß dich zusammen! Lass nicht zu, dass dich deine Wünsche narren …
* * *
Endlich hatte sie die Tür gefunden, und natürlich war sie fest verschlossen.
Aufmerksam betrachtete Corinne das Schloss. Es sah eigentlich ganz normal aus, zumindest nicht wie eins dieser hochmodernen Sicherheitsschlösser, die sie aus der Klinik kannte. Oder wie das an ihrer Wohnungstür.
Angestrengt überlegte sie, was sie jemals über das Knacken von solchen Schlössern gehört oder gesehen hatte. In Filmen sah das immer ziemlich einfach aus, aber leider befand sie sich mitten in der Realität.
Eins war ihr jedenfalls klar, ohne entsprechendes Werkzeug oder zumindest einen stabilen Draht würde sie diese Tür niemals öffnen können. Draht, verdammt noch mal. Irgendwo in diesem verflixten Keller musste es doch Draht geben …
Plötzlich schlug sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn … natürlich, das Feldbett. Unter der dünnen Matratze müsste eigentlich ein Drahtgeflecht sein.
Ohne länger zu überlegen, machte sich Corinne auf den Weg. Der Geruch von Freiheit war noch nie
Weitere Kostenlose Bücher