Inspiration – Du sollst mein sein!
ihr und diesem Wahnsinnigen keinerlei Verbindung bestand. Sie war vielmehr genauso sein Opfer wie Geraldine Wheeler oder Stephanie Delainy, von dem Obdachlosen ganz zu schweigen. Bellinda Carlyle wurde nur auf ganz andere Weise terrorisiert und lief zumindest im Moment nicht Gefahr, getötet zu werden. Immerhin schien ihr Bewunderer sie zu vergöttern, wenn man nach dem Inhalt der Briefe ging.
Leider waren sie dadurch aber noch keinen Schritt weitergekommen. Rick versuchte es erneut. »Miss Carlyle, ich weiß, es ist schwierig. Aber bitte, überlegen Sie noch einmal genau, haben Sie jemals irgendetwas geschrieben, das zumindest in die Richtung eines Horrorfilms ging?«
Plötzlich schlug sich Bellinda Carlyle mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Mein Gott, daran hab ich überhaupt nicht mehr gedacht. Das ist schon so lange her …« Sie blickte den beiden Detectives abwechselnd in die Augen und wurde immer blasser.
»Ja, ich hab mal so etwas Ähnliches geschrieben, als ich bei Norden Productions angefangen habe. Früher konnte ich es mir noch nicht aussuchen, was ich schreiben möchte. Da gab es so eine Serie, ich glaube, das hieß damals Horrornacht oder so ähnlich. Beinahe so wie bei Deadly Ernest, Sie wissen schon, dieser Zombie mit den großen Augen. Das lief immer erst nach Mitternacht, und dafür wurden damals Einführungstrailer gebraucht. Das sind kurze Szenen, die den Zuschauer auf den danach folgenden Film einstimmen sollen. Wir nennen so etwas ›Gattungstrailer‹, also kurze, maximal zehnminütige Einspieler, die einen ähnlichen Inhalt haben wie der folgende Film. Eigentlich hätte es auch einfach eine Einzelszene aus dem Hauptfilm getan, aber das wollten die Produzenten aus irgendwelchen Gründen nicht. Ich glaube, beim ersten Trailer ging es um einen Gladiatorenkampf. Und der zweite war eine Vergewaltigungsszene. Dann kam noch irgendwas mit Feuer – ziemlich grausames Zeug eben. Und ein paar andere, die Sie sich vielleicht besser selbst anschauen. Aber die Szenen endeten immer, bevor es richtig zur Sache ging.«
Rick und Cooper lauschten fasziniert und tauschten einen vielsagenden Blick. Von dem Obdachlosen, der mit einer Stachelkeule brutal erschlagen worden war, konnte sie nichts wissen. Die Presse hatte dieses Verbrechen nicht einmal zur Kenntnis genommen.
»Miss Carlyle, wie viele von diesen Trailern haben Sie geschrieben? Und wo sind diese Drehbücher jetzt?« Gespannt wartete Rick auf ihre Antwort. Er registrierte das Entsetzen, das sich auf ihrem Gesicht ausbreitete. »Ich habe sieben Trailer geschrieben. Die Originale liegen irgendwo in einem Lagerraum bei Norden Productions, aber die Kopien sind hier.«
Rick und Cooper konnten ihre Gedanken lesen, als stünden sie in großen roten Lettern auf Miss Carlyles Stirn. Und Rick beeilte sich, ihre Befürchtungen zumindest zu mildern. »Miss Carlyle, Bellinda, vielleicht sollten Sie erst einmal nachsehen, ob die Drehbücher noch unverändert an Ort und Stelle liegen. So ganz ohne Probleme wäre der Täter nicht in Ihre Wohnung gekommen. Ich hab die Schlösser an der Tür und die Fenstersicherungen gesehen. Ich gehe mal davon aus, dass Sie Ihre Wohnung nicht verlassen, ohne vorher alles zu verschließen, wie es jede Frau tun sollte, die allein lebt. Also schauen Sie bitte erst einmal nach. Am besten bringen Sie uns die Skripte gleich mit, dann können wir uns mit den Einzelheiten vertraut machen und wissen zumindest, auf welche Szenarien wir uns unter Umständen noch einrichten müssen.«
Die große Blondine nickte nur, stand unvermittelt auf und eilte aus dem Zimmer. Kurze Zeit später kam sie wieder zurück, einen schmalen Ordner in der Hand und in erheblich ruhigerer Stimmung als noch Minuten zuvor. Mit einem erleichterten Seufzer reichte sie die Unterlagen an Rick weiter.
»Hier, Detective … da sind alle sieben Skripte drin. Der Ordner lag noch genauso, wie ich ihn verstaut hatte. Mit dem ganzen Zeugs obendrauf, das sich in den Jahren angesammelt hat, inklusive einer Menge Staub, was mir ziemlich peinlich ist. Sie haben recht, der Kerl muss sich die Drehbücher bei Norden Productions oder wo auch immer besorgt haben. In meiner Wohnung war er offensichtlich nicht.«
* * *
Elli Purcell betrachtete seufzend das zusammengerollte, nach billigem Parfüm und Schnaps riechende Bündel auf ihrer Couch, das ihren Exmann Alexander darstellte. Obwohl sie ihn schon nach der ersten Nacht aufgefordert hatte, ihre Wohnung zu verlassen, war er
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