Instinkt
bezahlen würde, nicht reagierte.
Doch als er die Scherben auf das Pflaster regnen sah, blieb er abrupt stehen. »Verdammt, was soll das?«
Ich humpelte einige Schritte vom Eingang zurück und betrachtete die Scherben. Ich folgte seinem Blick nach oben, wo sich meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten. Das geborstene Fenster war das im dritten Stock.
Dann hörte ich den zweiten Schuss.
Ich hüpfte zum Eingang zurück und begann wahllos, die Klingeln der anderen Wohnungen zu drücken.
»Hilf mir, die Tür aufzubrechen!«, brüllte ich den Taxifahrer an, einen kräftigen Kerl in meinem Alter. »Die Frau da oben ist in Gefahr.«
Abwehrend hob er die Arme. »Ich misch mich hier nicht ein, Mann.«
»Ich bin Polizist, verdammt. Sean Egan. Vielleicht hast du meinen Namen in der Zeitung gelesen. Der Night Creeper. Und das da oben ist Tina Boyd, die man versucht umzubringen. Und jetzt hilf mir gefälligst, die verdammte Tür aufzubrechen.«
»Wie?«
»Tritt sie ein, Mensch!«
Er wirkte verängstigt, aber zu seiner Ehre muss gesagt werden, dass er Anlauf nahm und der Tür einen Kung-Fu-Tritt verpasste, während ich weiter die anderen Klingeln malträtierte.
»Hallo?«, meldete sich über die Sprechanlage eine Frau.
»Polizei, machen Sie auf.«
»Halten Sie Ihren Ausweis in die Kamera.«
»Dafür ist keine Zeit, machen Sie auf.«
»Nein.«
Der Taxifahrer versuchte einen zweiten Tritt, und diesmal flog die Tür auf. Ich humpelte hinein. Ich schrie ihm noch zu, er solle den Notruf alarmieren, und drückte den Fahrstuhlknopf. Die Türen öffneten sich augenblicklich, und ich wählte den dritten Stock. Der Taxifahrer machte keine Anstalten, mir zu folgen. Aber ehe sich die Türen schlossen, sah ich ihn noch sein Handy zücken.
Mir war klar, dass das, was ich tat, wahnsinnig war. Ich war unbewaffnet und auf Krücken. Ich konnte Tina keinen Schutz bieten und leicht selbst erschossen werden. Doch ich schuldete ihr etwas. Das hier war mein Fehler gewesen, und ich wusste nicht, wie ich weiterleben sollte, wenn es schon zu spät und sie tot war.
Die Fahrstuhltüren glitten auf, und ich stürmte hinaus.
Tinas Wohnung lag direkt gegenüber, ich sah sofort, dass die Tür nur angelehnt war. Doch als ich mich ohne irgendeinen Plan mit der Schulter dagegenwarf, gab sie lediglich einen Spaltbreit nach. Die Kette war vorgelegt. Drinnen hörte ich das Geräusch eines Kampfes.
Ich fluchte, humpelte zurück und warf mich erneut dagegen. Diesmal riss die Kette aus der Verankerung, und die Tür flog auf. Ich konnte mit knapper Not mein Gleichgewicht bewahren, stolperte nach drinnen und orientierte mich kurz in dem halbdunklen Flur, ehe ich in Richtung der Kampfgeräusche hüpfte.
Wieder ploppte ein Schuss, gefolgt von dem dumpfen Knall eines hinfallenden Körpers. Ich hörte, wie Tina einen kurzen Schmerzensschrei ausstieß.
Ich humpelte so schnell ich konnte und schrie: »Polizei, Waffe fallen lassen, Samuel-Smith, es ist vorbei!«
Als ich die Tür erreichte, sah ich ihn über Tina stehen, die niedergestreckt auf dem Boden lag. Sie hatte die Augen geschlossen und stöhnte vor Schmerz. Captain Bob trug immer noch denselben Regenmantel, nur dass er jetzt eine Skimaske über seinen kahlen Schädel gezogen hatte und eine Pistole in Händen hielt.
Er schwenkte sie herum, bereit abzudrücken, aber in den Augen hinter der Maske spiegelte sich Erstaunen.
Ohne zu zögern, schleuderte ich die Krücke nach ihm, und als er sie mit der Hand, die die Pistole hielt, abblockte, sprang ich ihn an. Der Schmerz in meinem Bein raubte mir fast den Atem, doch ich erwischte ihn mit einem perfekten Bodycheck, und da er den Angriff nicht erwartet hatte, flogen wir durch das Zimmer und knallten gegen den Fensterrahmen.
Ich packte die Hand mit der Pistole und drückte sie weg. Mit der freien Hand schlug ich ihm so hart ich konnte ins Gesicht. Er taumelte zurück und hing nun halb aus dem offenen Fenster, das sich mindestens zehn Meter über der Erde befand. Unten konnte ich den Taxifahrer erkennen, der schockiert heraufstarrte und das Handy immer noch ans Ohr gepresst hielt. Ich ignorierte mein brennendes Bein und hämmerte Captain Bob wieder und wieder die Faust ins Gesicht. Eine furchtbare und reine Wut durchströmte mich und gab mir schier übermenschliche Kraft, während mir in Sekundenbruchteilen all der Verrat und die Schweinereien, die er begangen hatte, durch den Kopf zuckten. Wie er den Mann gedeckt hatte, der meinen Bruder ermordet
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