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Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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sprang auf und schrie, er sei unschuldig, sein Gesicht eine Mischung aus Verzweiflung und rechtschaffenem Zorn. »Kapieren Sie das denn nicht? Ich bin unschuldig!«
    »Setzen Sie sich«, verlangte Jacobs und packte ihn am Arm.
    Verärgert schlug Kent Jacobs’ Hand weg und schaute unverwandt Tina an. Seine Augen waren schreckgeweitet, und ein bisschen wirkte er wie ein verlorener Junge, etwas, was er aber genauso gut einstudiert haben konnte. »Bitte …«, flüsterte er.
    »Tun Sie, was Ihr Anwalt sagt, und setzen Sie sich«, herrschte sie ihn an. »Sie werden vor Gericht Gelegenheit erhalten, Ihre Sicht der Dinge zu schildern.«
    Sie merkte, wie er zu zittern begann, und griff vorsichtshalber nach dem CS-Spray unter dem Tisch, weil sie befürchtete, er könnte auf sie losgehen oder versuchen, aus dem Zimmer zu flüchten. Sie wusste ja, wie schnell und gefährlich er sein konnte, wenn er wollte.
    Aber er versuchte nichts, und es dauerte einen Moment, bis Tina sah, dass ihm Tränen über die Wangen liefen. Schließlich fiel er zurück auf seinen Stuhl, und während Tina ihn formell aller fünf Morde beschuldigte, verbarg er den Kopf in seinen Händen und weinte leise. Jacobs sah seinen Mandanten inzwischen nur noch angewidert an. Als sie geendet hatte, verließen sie und MacLeod den Raum. Zuvor warf sie noch einmal einen Blick auf Kent und spürte sofort den Zweifel wieder aufsteigen.
    War es irgend möglich, dass er die Wahrheit sagte?

NEUN
    Das Adrenalin pulsierte noch durch mein Blut, als wir Punkt drei Uhr ein Ticket für den verlassenen westlichen Parkplatz des Brent-Cross-Shopping-Centers zogen, wo wir uns mit Wolfe und Haddock treffen wollten. Tommy hatte bereits angerufen, um ihm mitzuteilen, dass ich zwar die Ware hätte, die auch in einwandfreiem Zustand zu sein scheine, es aber trotzdem ein Problem gegeben habe. Am Telefon hatte er sich nicht weiter darüber ausgelassen, aber Wolfes unverkennbares Gebrüll steigerte sich am anderen Ende der Leitung, bis sogar ich es hören konnte. Und es klang nicht sonderlich begeistert.
    »Mach dir keinen Kopf, Sean«, beschwichtigte Tommy, als er den Wagen am Rand des Parkplatzes unter ein paar kränklich wirkenden Bäumen abstellte. Immerhin, die Bäume waren das einzige Grün, das ich in den letzten zehn Minuten zu Gesicht bekommen hatte. »Wolfe wird die Sache mit Mitchell wieder geradebiegen. Eigentlich haben wir ein gutes Verhältnis, und Wolfe ist mächtig genug, um sicherzustellen, dass es keine Racheakte gibt. Verstehst du?«
    »Klar«, erwiderte ich, aber ich hatte immer noch schwer damit zu kämpfen, was ich getan hatte.
    Obwohl Grenzsituationen nichts Neues für mich waren. Einmal, kurz nach meinem Einstieg als Undercover-Cop, hatte ich eine Horde West-Ham-Hooligans infiltriert, um Beweise gegen einige ihrer Anführer zu sammeln, die im Verdacht standen, mit Waffen und Drogen zu handeln. Der Einsatz dauerte vier Monate, und ich musste meine Loyalität demonstrieren, indem ich mich bei den Schlägereien gegen verfeindete Hools beteiligte. Das waren wüste Prügeleien, Mann gegen Mann. Mit der Faust ins Gesicht, nachtreten, wenn einer am Boden lag, Stühle durch Pub-Fenster schleudern (habe ich zweimal gemacht). Ich würde gerne behaupten, dass ich so wenig Schaden wie möglich angerichtet hatte, aber das wäre nicht ganz wahr. Mehrfach hatte ich mich vom Rausch der Gewalt mitreißen lassen, dem zu widerstehen schwerfällt, wenn das Kriegsgeheul losgeht und das Adrenalin ins Blut schießt. Außerdem ist man von Kumpeln umgeben, die einem den Rücken freihalten und dasselbe von dir erwarten. Näher bin ich dem Gefühl, in den Krieg zu ziehen, nie gekommen. Natürlich war es falsch, das wusste ich von Anfang an, aber ich rechtfertigte mich, indem ich mir einredete, mitzuziehen sei die einzige Möglichkeit, meine Tarnung aufrechtzuerhalten. Und was sollte es auch – die Typen, mit denen wir uns prügelten, waren ebenfalls Hools und wussten, worauf sie sich einließen.
    Während einer Massenschlägerei mit Spurs-Fans auf der Seven Sisters Road allerdings zählte ich zu den zehn Leuten, die von den CCTV-Kameras gefilmt wurden, als wir auf unsere Gegner einschlugen. In der Fernseh-Sendung »Crimestopper« wurden Standbilder gezeigt, und obwohl sie glücklicherweise ziemlich körnig waren (CCTV steckte damals noch in den Kinderschuhen), wurde ich von zweien meiner Vorgesetzten, Dougie MacLeod und Captain Bob, sowie mehreren Kollegen erkannt. Insofern kam es nicht

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