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Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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hinter Tommy hinein und fühlte mich immer noch ganz aufgedreht und überhaupt nicht bereit, mir irgendeine Scheiße anzuhören. Obwohl ich meinen Job und meine Freiheit riskiert hatte, war es erstaunlich, was es für das Ego bedeutete, wenn man sich den Weg aus einer lebensbedrohlichen Situation freischoss. Haddock drängte sich wieder hinter mich, doch ich ignorierte ihn.
    Das Zimmer, das wir betraten, war düster, staubig und unmöbliert. Zudem roch es heftig nach Schimmel. Tyrone Wolfe stand in einer Ecke und blinzelte uns wütend an.
    »Nettes Plätzchen habt ihr hier«, sagte ich und war auf einmal unfassbar gelassen. »Ich hätte gedacht, in eurer Branche kann man sich was Besseres leisten.«
    »Piss mich nicht an, Sean«, bellte er. »Ich mag’s nämlich nicht, wenn man mich anpisst. Kapiert?«
    Ich zuckte mit den Schultern. Unbeeindruckt. »Klar doch.«
    Er löste sich von der Wand, nahm Tommy die Tasche ab und warf einen kurzen Blick hinein, ehe er sie absetzte.
    »Also, was war los, verdammt? Du sagst, es gab ein Problem?«
    Dabei sah er Tommy an, doch statt seiner antwortete ich. »Ja, eine von Mitchells kleinen Ratten hat behauptet, ich sei ein Cop. Und daraufhin sind diese Küchenbullen auf mich losgegangen. Da entstand sozusagen Handlungsbedarf.«
    »Handlungsbedarf?«
    »Einer von denen hatte eine Knarre. Die musste ich ihm abnehmen, und dann hat’s zwei von ihnen erwischt.«
    »Aber nicht Mitchell«, beeilte sich Tommy einzuwerfen. »Mitch ist okay.«
    »Und? Sind sie tot?«, wollte Wolfe wissen.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe nur auf die Beine gezielt. Obwohl, der andere hat einen Querschläger in den Bauch bekommen, aber ich schätze, sie werden’s überleben.«
    »Die Story glaub ich einfach nicht. Mitchell ist ein zuverlässiger Lieferant. So was hat’s noch nie gegeben.«
    »Ich mag es nicht, beleidigt zu werden. Scheißegal von wem. Und jemanden einen Undercover-Bullen zu nennen, gilt da, wo ich herkomme, als Beleidigung.«
    Ich spürte, wie sich Haddock plötzlich an mich heranschob.
    »Und warum hält er dich für’n Undercover-Bullen, wenn du keiner bist?«, fragte er leise und kam dabei mit seinem riesigen Schädel ganz dicht an mein Ohr. »Warum sollte er dann so was sagen?«
    Dass ich einräumte, als Undercover-Cop verdächtigt zu werden, war riskant, aber meiner Erfahrung nach ist es immer das Beste, die Dinge frontal anzugehen. Ich zog also meine genervte Nummer weiter durch und wandte mich an Haddock.
    »Weil er Scheiße gebaut hat, deshalb.«
    Er knurrte bedrohlich, es schien aus den Tiefen seiner Gedärme zu kommen, und begann dann theatralisch und lautstark an mir zu schnüffeln.
    »Fehlt dir was, Kumpel? Hast du Heuschnupfen oder so?«
    Er hörte auf und starrte mich aus zu Schlitzen verengten Augen an. »Du glaubst wohl, du bist besonders komisch, Bürschchen, aber das bist du nicht.«
    Da wusste ich, dass ich mir Clarence Haddock endgültig zum Feind gemacht hatte, aber mir war keine Wahl geblieben. In der Unterwelt dreht sich fast alles um Machoposen, Persönlichkeit, Gewicht, körperliches und intellektuelles, um Reputation. Alles, womit man andere einschüchtert. In einer Auseinandersetzung einen Rückzieher zu machen, gilt als Zeichen der Schwäche, und wenn man von Big Boys wie Wolfe ernst genommen werden will, kann man sich das schlichtweg nicht leisten.
    »Er ist unmöglich ’n Bulle, Clarence«, mischte sich Tommy ein. »Er hat zwei Typen angeschossen. Ein Bulle würde so was nie tun.«
    »Da hat Tommy Recht«, sagte nun auch Wolfe, dem dieser eigentlich naheliegende Grund eben erst aufzugehen schien. »Aber ich muss trotzdem mit Mitchell reden und die Sache ausbügeln. Hat einer von euch beiden ein sauberes Handy?«
    »Ich«, sagte Haddock, der mich immer noch anstarrte, obwohl er einen Tick zurückgewichen war, so dass ich wenigstens seinen Atem nicht mehr zu spüren brauchte. Aus einer der ungefähr zehn Taschen seiner knielangen schwarzen Cargohose fischte er ein Handy und gab es Wolfe. »Ich hab dich im Blick«, sagte er und deutete mit einem seiner Wurstfinger auf mich, während Wolfe den Raum verließ, um zu telefonieren.
    Ich beschloss, meine Zwei-Kippen-pro-Tag-Regel bis auf weiteres auszusetzen und zündete mir eine dringend benötigte Zigarette an.
    Es dauerte nicht lange, bis Wolfe wieder zurückkam. »Mitchell ist nicht gerade glücklich, Sean«, sagte er und schüttelte den Kopf.
    Darauf war ich vorbereitet und hatte meine Retourkutsche parat.

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