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Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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verstehen. Normalerweise hätte ich es dabei belassen. Hätte aufgeraucht und wäre wieder nach drinnen gegangen. Aber etwas an ihr zog mich an, weckte in mir den Wunsch, die Unterhaltung fortzuführen. Ich hielt sie für eine Außenseiterin wie mich. Und wenn ich die harte Schale knackte, konnte ich mich ihr vielleicht verständlich machen.
    Ich inhalierte tief und starrte in den vorbeifließenden Verkehr. »Wir haben schon undankbare Jobs, findest du nicht? Wir bringen all die Arschlöcher zur Strecke, und je mehr wir einbuchten, desto mehr tauchen draußen auf. Manchmal überlege ich, einfach hinzuschmeißen und etwas völlig anderes zu machen. Einen Biobauernhof betreiben oder eine Surfschule.« Als ich das sagte, merkte ich überrascht, dass ich tatsächlich glaubte, was ich da von mir gab.
    »Du würdest dich binnen einer Woche zu Tode langweilen.«
    »Meinst du?«
    Sie lächelte. Offener dieses Mal. »Ich bin ziemlich sicher. Vielleicht brauchst du bloß ein paar Tage Urlaub.«
    Ich dachte darüber nach. Ich hatte seit Jahren keinen Urlaub mehr gemacht. Das letzte Mal war ich mit einem Mädchen namens Britt, die nicht einmal eine echte Skandinavierin war, nach Antigua geflogen. Es hatte ziemlich viel geregnet, und nach drei Tagen waren wir uns auf die Nerven gegangen.
    Ich wollte Tina gerade von diesem Trip erzählen, die Geschichte vielleicht mit ein paar amüsanten Anekdoten anreichern, um sie dann zu fragen, ob wir noch woanders hinwollten, als das Handy klingelte, das seit einigen Wochen die Verbindung zwischen Tommy und mir herstellte. Der Klingelton hatte den markerschütternden Klang einer alten Autohupe, damit ich nie vergaß, wer mich da anrief. Ich stand kurz davor, es klingeln zu lassen und Wolfe, Haddock und Tommy einfach zu ignorieren, sie wenigstens für eine Nacht zu vergessen, aber so läuft es nun mal leider nicht.
    »Das ist ja ein grauenhafter Ton«, bemerkte Tina.
    »Nur damit ich auch ja abnehme«, entgegnete ich reumütig und zog das Handy aus der Tasche. Einmal mehr zeigte das Display eine Nummer, die ich nicht kannte. »Entschuldige mich einen Augenblick. Ich muss rangehen.«
    Ich ging schnell einige Schritte die Straße entlang und brachte gut zwanzig Meter zwischen uns, ehe ich mich meldete.
    »Wo steckst du?«, fragte Tyrone Wolfe, und ich hörte sofort, dass es dringend war.
    »Auf einen Drink mit einem alten Kumpel.«
    »Wo?«
    »Holborn. Ganz in der Nähe meiner Wohnung. Warum?«
    »Weil’s losgeht, Seanboy!«
    Ich erstarrte. »Was soll das heißen, es geht los? Wann?«
    »Jetzt!«, bellte er. »Nicht nachher, nicht gleich. Jetzt.«

SECHZEHN
    Automatisch entfernte ich mich weiter von Tina. Während ich ging, versuchte ich nachzudenken. Meine Gedanken rasten.
    »Aber ich habe doch gesagt, ich will dreißig Riesen Vorschuss.«
    »Die warten hier auf dich. Die Dinge haben sich ein bisschen beschleunigt. Was hast du getrunken?«
    »Nur ein Pint. Ich bin nüchtern.«
    »Und wo genau steckst du jetzt?«
    »Ich bin in zwei Minuten an der Kreuzung High Holborn Ecke Grays Inn Road. Wo seid ihr?«
    »Nicht weit von dir«, erwiderte Wolfe dunkel, und plötzlich überkam mich der erschreckende Gedanke, er habe mich vielleicht überwachen lassen. Und wüsste jetzt, dass ich mein Bier in einer Bullenkneipe voller Bullen trank.
    Ich versuchte, meine Paranoia abzuschütteln und ein paar Einzelheiten über den Job zu erfahren, die ich an Captain Bob weiterleiten konnte. Der würde zwar explodieren, wenn er herausfand, was ich mir geleistet hatte, doch er wäre auch Profi genug, meine Informationen zu nutzen. »Ein bisschen mehr müsst ihr mir schon erzählen.«
    »Alles zu seiner Zeit, Seanyboy. Geh zur Kreuzung und warte dort auf uns. Dann kriegst du deinen Vorschuss, und wir reden.«
    »Habt ihr die Waffen?«
    »Vorsicht, was du am Telefon sagst«, zischte er und unterbrach die Verbindung.
    Ich fragte mich, ob ich die Grenze überschritten hatte, aber ich musste herausfinden, ob wir bewaffnet sein würden, wenn ich Captain Bob informierte. Er konnte mich dann über mein Handy orten und ein bewaffnetes SEK organisieren, das uns festnahm, ehe die Entführung stattfand. Wenn Wolfe mit Waffen angetroffen würde, hätte man es leicht, ihm eine ganze Latte von Vergehen anzuhängen, und mein Job wäre erledigt. Ich säße zwar ziemlich in der Scheiße, aber darüber konnte ich mir später Gedanken machen.
    Zuerst musste ich hundertprozentig wissen, dass die drei bewaffnet waren, sonst ergab es keinen

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