Instinkt
sehen. Ich hätte ihm gerne gesagt, dass ich mich am Riemen gerissen hätte, wenngleich die Ereignisse des Tages vielleicht einen anderen Schluss zuließen … es schien nicht wirklich Sinn zu ergeben, da er sowieso nicht zuhörte und Simon mich bereits den anderen Kollegen vorzustellen begann.
Als Simon erzählte, dass ich zum heißen CO10-Cop avanciert sei, der den Mr. Bigs des organisierten Verbrechens die Hölle heißmachte, lächelte ich brav und hob abwehrend die Hände. Dann berichtete er mir stolz, bei ihnen selbst gäbe es heute Grund zum Feiern, weil sie den ominösen Night Creeper erwischt hätten. Ich kannte den Fall aus den Medien und wusste auch, dass Dougie und seine Truppe wesentlich an der Jagd auf ihn beteiligt waren, denn Simon hatte mir bereits während unseres letzten Treffens davon erzählt.
Ich unterhielt mich eine Weile mit Simon und seinen Kollegen über den Fall, und natürlich schwebten sie alle auf Wolke Sieben, nachdem sie einen solchen Serienkiller zur Strecke gebracht hatten und zudem genügend Beweise zu haben schienen, um eine Verurteilung zu garantieren. Ich freute mich mit ihnen, dennoch kam ich mir wie ein Eindringling vor. Es war ihr Erfolg, nicht meiner. Ihre Party. Simon hatte sich zwar alle Mühe gegeben, mich einzubeziehen, aber das funktionierte nicht, und ich fühlte mich ziemlich schnell gelangweilt. Und mit der Langeweile machte sich der Gedanke breit, dass ich in ziemlich großen Schwierigkeiten steckte.
Doch dann sah ich sie. Sie stand mit einigen anderen Leuten zusammen, und ein bisschen wirkte sie wie ich – als gehöre sie nicht wirklich dazu. Natürlich erkannte ich sie sofort wieder. Tina Boyd war eine der bekanntesten Polizistinnen Londons und hatte bereits eine Karriere hinter sich, gegenüber der sich die meine blass ausnahm. Entführt. Angeschossen. Gleich zweimal. Und im letzten Jahr hatte sie einen fliehenden Verdächtigen zur Strecke gebracht und getötet, der, wie sich herausstellte, für eine ganze Serie von Morden und die Planung eines Terroranschlags verantwortlich war. Ich hatte auch gehört, dass sie daraufhin zu MacLeods Team gestoßen war, und erinnerte mich, wie Simon gesagt hatte, sie sei zweifellos eine ausgezeichnete Ermittlerin, allerdings ziemlich eigen.
Ich beobachtete sie, wie sie Richtung Ausgang ging und bereits eine Packung Zigaretten aus ihrer Tasche fischte. Sie war eine attraktive Frau mit klassischen keltischen Gesichtszügen, dunklen Haaren und blassem Teint, aber sie hatte auch etwas Ernsthaftes an sich, als lächelte sie nie und könne Unzulänglichkeiten nur schwer ertragen. Während sie zielstrebig auf den Ausgang zusteuerte, hatte sie die Stirn in Falten gelegt, und die Leute wichen instinktiv zurück und machten ihr Platz.
Ich war nie der Typ, der es darauf anlegte, die Frau fürs Leben zu finden, deshalb löste ich mich aus der Traube und holte ebenfalls meine Zigaretten hervor. Dougie konnte ich im Gewühl nicht erkennen, und Simon bemerkte gar nicht, dass ich mich absonderte, da er gerade eine spanisch aussehende Frau angegraben hatte.
Als ich nach draußen kam, lehnte Tina rauchend an der Wand und schien in Gedanken versunken.
»Hi«, sagte ich, zündete mir eine Zigarette an und ging zu ihr hinüber. »Ich glaube nicht, dass wir uns kennen. Ich heiße Sean Egan.« Zum ersten Mal seit Wochen, so schien es, benutzte ich wieder meinen richtigen Namen. »Ich habe mal für Dougie MacLeod gearbeitet.«
Sie wandte sich mir zu, und ich bemerkte, dass sie mahagonifarbene Augen hatte. »Ich weiß«, sagte sie mit dem Anflug eines Lächelns und streckte die Hand aus. »Ich bin Tina.«
»Woher?«, wollte ich wissen, während wir uns die Hand gaben.
»Dougie hat es mir erzählt.«
Das war erfreulich. Also hatte sie sich gerade nach mir erkundigt. »Tatsächlich?«
»Er sagte, ich solle mich von dir fernhalten. Du würdest Ärger anziehen.«
Plötzlich wurde ihre Miene wieder ernst, trotzdem wirkte sie nicht, als würde sie dieser Punkt interessieren.
Ich überlegte einen Moment. »Anziehen würde ich nicht sagen, aber ich gebe zu, dass ich ihn genieße.«
»Was machst du jetzt?«
»CO10. Undercover-Einsätze.«
»Sicher ziemlich stressig.«
»Manchmal«, erwiderte ich und dachte an mein nur knapp verpasstes Rendezvous mit dem Tod heute Nachmittag. »Bestimmt nicht stressiger als das, was du so erlebt hast.«
Sie zuckte mit den Schultern. Ich hatte das Gefühl, sie wollte nicht darüber reden, und das konnte ich
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