Instinkt
Besatzung unserer Attacke schutzlos ausgeliefert.
Was mir allerdings Angst einjagte, war die Genauigkeit der Informationen. Sie wussten einfach zu viel, und das bedeutete, sie mussten Insiderinformationen haben. Ich hatte über sieben Jahre auf Holborn verbracht und eigentlich gedacht, die Cops dort seien anständige Männer und nicht Typen, die Informationen an einen Drecksack wie Tyrone Wolfe verkauften oder an seinen Kunden, wer immer das auch sein mochte. Aber nun sah es so aus, als habe sich jemand kaufen lassen. Sonst hätten sie weder wissen können, dass Kent in einem Krankenwagen abtransportiert werden würde, noch wann. Leider kamen, Uniformierte und Bürokräfte zusammengerechnet, über zweihundert Leute infrage.
Ich lehnte mich zurück und bemerkte, dass ich stark schwitzte. Wenn der Plan schiefging und Schüsse fielen, wäre es das für mich gewesen. Das Leben, das ich kannte, wäre ein für allemal vorbei.
Trotzdem konnte ich da immer noch herauskommen und die Typen festnageln. Wohl nicht gleich jetzt, aber später, wenn wir Kent im Sack hatten. So kam ich vielleicht auch an den Mann heran, der hinter der ganzen Geschichte steckte, und könnte Captain Bob den Fall hübsch verpackt auf den Schreibtisch legen. Damit würde ich zwar nicht meinen Job retten, aber zumindest verhindern, dass ich in den Knast wanderte.
»Hört mal«, durchbrach ich das brütende Schweigen im Wagen, »ich weiß, ihr dürft mir nicht sagen, für wen ihr arbeitet, aber vielleicht könnt ihr mir wenigstens erzählen, was er mit dem Typen vorhat?«
Wolfe seufzte vernehmlich. Langsam hatte er genug von meinen Fragen. »Wenn ich’s dir sage, versprichst du mir dann, dass du die Klappe hältst?«
»Wozu willst du ihn einweihen. Er ist doch bloß ein angeheuerter Schläger.«
»Weil ich es leid bin, im Dunkeln zu tappen«, zischte ich ihn an.
Wolfe drehte sich um und starrte mich mit seinem guten Auge an. »Dieser Typ sitzt wegen der Vergewaltigung und Ermordung von fünf Frauen ein, klar? Also, unser Klient war mit einem der Opfer verwandt und will Rache. Und er glaubt nicht, dass das Gesetz sie ihm verschaffen kann. Deshalb hat er uns eingeschaltet.«
»Und woher weiß er, dass Kent binnen einer Stunde Holborn im Krankenwagen verlassen wird?«, fragte ich. Es klang so sehr nach einer Ironie der Geschichte: Plötzlich wurde ein Erzverbrecher wie Wolfe zum Rächer, der die Mängel des britischen Rechtssystems ausbügelt.
»Hab ich ihn nicht gefragt«, entgegnete er scharf. »Denn im Unterschied zu dir weiß ich, wann ich die Schnauze halten muss.«
Trotzdem war ich zufrieden. Wolfes Antwort würde uns helfen, seinen Auftraggeber zu identifizieren, denn es konnte nicht so viele Verwandte geben, die über genügend Einfluss verfügten, um an die Information über Kents Verlegung zu kommen. Aber damit hatte ich auch ein weiteres Problem.
»Der Kunde wird ihn umbringen, was?«
»Hast du nicht versprochen, mit der Fragerei aufzuhören, wenn ich dir sage, worum es geht?«
»Natürlich wird er das. Welchen Grund sollte er sonst haben, ihn entführen zu lassen?«
Haddock wälzte seinen mächtigen Körper herum, und es schien, als würde der Wagen schaukeln. »Was interessiert’s dich?«, zischte er in seinem merkwürdig weibischen Falsett. »Du kriegst deine Kohle, und irgend so ein perverser Sack gibt den Löffel ab.«
»Ich habe es schon mal gesagt. Mit einem Mord will ich nichts zu tun haben.«
Wieder seufzte Wolfe laut. »Junge, du hast auch nichts mit einem Mord zu tun, kapiert? Der Kunde vielleicht, mag sein. Aber wir schnappen den Kerl bloß und liefern ihn ab. Was er dann mit ihm anstellt, ist seine Sache, und eins hat er mir versichert: Kent verschwindet danach vom Angesicht der Erde, und der Fall wird erledigt sein. Nicht dass es irgendjemanden besonders jucken würde, denn wir reden hier über den Night Creeper, einen kranken Sexkiller, der wehrlose Frauen in ihren Schlafzimmern abschlachtet. Glaubst du, Bullen werden sich groß anstrengen, um rauszufinden, wer ihn hat verschwinden lassen? Die wollen doch nur, dass alle möglichst schnell vergessen, dass man ihnen einen ihrer Häftlinge unterm Arsch weggeklaut hat.«
In meinen Augen war Wolfe zwar einigermaßen naiv, aber wenn er es so sah, konnte ich nichts daran ändern. So oder so war es mein Job zu verhindern, dass unser Auftraggeber Kent in die Finger bekam. Kent mochte ein perverser Sexkiller sein, aber trotzdem war es meine Pflicht, ihn vor den Leuten zu
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