Instinkt
immer stark gerötet war, sah er schon deutlich besser aus als vor einer Minute.
»O mein Gott«, stöhnte er und umklammerte seinen Leib.
»Was ist passiert?«, fragte Tina, die sich angesichts der Sauerei auf dem Boden fast selbst übergeben musste.
»Die versuchen, mich umzubringen«, stöhnte er.
»Wer?«
»Bringen Sie mich ins Krankenhaus, bitte.«
»Wer versucht, Sie umzubringen, Mr. Kent?«
Er verzog das Gesicht vor Schmerz. »O Gott, tut das weh.«
»Der Krankenwagen kommt. Alles wird gut. Aber Sie müssen mir sagen, was passiert ist.«
»Das Wasser«, röchelte er und sah sie an. »Die haben es ins Wasser gemischt.«
Der Wachhabende tauchte wieder auf und wirkte verstört.
»Der Krankenwagen muss jeden Moment da sein.«
Tina schnappte sich den Plastikbecher und warf ihn dem Sergeant vor die Füße.
»Wo zum Teufel haben Sie das Wasser her?«
»Aus der Leitung«, stammelte er. »Ich habe ihm nichts reingetan. Das schwöre ich.«
»Stecken sie ihn in einen Beutel für die Spurensicherung. Das muss analysiert werden.«
Sie scheuchte ihn weg und wandte sich wieder an Kent.
»Die wollen nicht, dass ich rede«, flüsterte er.
»Wer sind ›die‹?«
Er schluckte heftig und packte ihre Hand mit einem überraschend festen Griff. »Bringen Sie mich ins Krankenhaus. Dann erzähle ich Ihnen alles. Ich schwöre es. Ich erzähle Ihnen alles.«
EINUNDZWANZIG
Um fünf vor halb neun abends saß ich mit den anderen im Transporter. Wir parkten in einer Nebenstraße, ein paar Hundert Meter von der Stelle entfernt, wo Wolfe und Haddock mich vor mehr als einer Stunde aufgelesen hatten. Inzwischen hatte ich mir allerdings einen Overall und Handschuhe übergezogen, und die verdammte Remington Pumpgun, die ich heute Nachmittag abgeholt hatte, lag auf meinem Schoß. Wolfe hatte den Motor abgestellt, deshalb war es im Wagen stickig und warm. Eine bleierne Stille lastete in der Luft, während wir darauf warteten, dass es losging. Ununterbrochen fragte ich mich, wie ich hierhergeraten konnte und, wichtiger noch, wie ich wieder herauskommen sollte.
Als ich vorhin eingestiegen war, hatte Wolfe uns zu einem Versteck an der Islington Road gefahren, wo die Waffen und Kleider zum Wechseln lagerten. Wir zogen uns um, und jeder lud seine Waffe. Dabei sagte ich Wolfe nochmals, dass ich unter keinen Umständen von ihr Gebrauch machen würde, und er hatte mir nochmals versichert, es ginge lediglich um eine einfache Entführung, bei der keine Schüsse fallen würden. »Trotzdem können wir es uns nicht leisten, eine solche Nummer unbewaffnet durchzuziehen«, fügte er wie zur Erklärung hinzu. »Das wäre dumm. Man muss immer auf alles vorbereitet sein, Sean.«
Als wir wieder im Van saßen, waren wir eine Weile herumgefahren, während Wolfe mir die Einzelheiten erklärte.
Die erste Überraschung war, dass wir zu fünft sein würden. Außer uns dreien und Tommy war noch eine junge Thailänderin namens Lee dabei, mit der Wolfe seit ein paar Monaten eine Affäre hatte. Tommy meinte, sie erinnere ihn an eine Schlammcatcherin, die sämtliche schmutzigen Tricks beherrsche. Sie fungierte als Späherin und saß in einem Straßencafé fünfzig Meter von meiner alten Wache, dem Holborn Revier, entfernt. Unser Opfer Andrew Kent sollte von dort mit Blaulicht und Sirene in einem Krankenwagen abtransportiert werden, und Lee würde uns über Kurzwellenfunk informieren, wenn es so weit war.
Sie befand sich etwa eine Fahrminute von uns entfernt, und sobald der Krankenwagen an uns vorbeifuhr, würden wir uns hinter ihn setzen. Tommy parkte in einem Bedford ein paar Hundert Meter weiter, auch er hatte ein Funkgerät, und auf unser Signal hin sollte er dem Krankenwagen den Weg versperren und ihn zum Halten zwingen. Dann würden wir, wie Wolfe es ausdrückte, wie »Dünnpfiff aus der Rosette« aus dem Wagen springen und den Krankenwagen stürmen. Wolfe wollte sich um den Fahrer kümmern und ihn zwingen, die Hecktür zu öffnen. Haddock sollte dann die Bahre herausziehen, während ich die Besatzung in Schach hielt. Tommy und Haddock würden das Opfer hinten in den Transporter verfrachten, Wolfe und ich uns nach vorne setzen, und in weniger als dreißig Sekunden wäre das Ganze gelaufen und wir auf und davon. Wolfe hatte versichert, dass eine etwaige Polizeieskorte auf jeden Fall unbewaffnet sein würde, und da angesichts der Dringlichkeit auch kein Sondereinsatzkommando zum Schutz des Krankenwagens abgestellt werden könnte, wäre dessen
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