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Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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dem Messer nach, aber in der Dunkelheit zerschnitt ich nur die Luft. Sekundenbruchteile später kam seine Klinge in einem mörderischen Bogen auf mich herabgerauscht. Instinktiv tauchte ich darunter weg, dabei verlor ich vollends das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Ich schaffte es gerade noch, mich so zu drehen, dass ich auf dem Rücken landete und das Messer ausgestreckt vor mich halten konnte.
    »Hilf mir doch!«, schrie ich, aber diesmal nutzte der Angreifer seinen Vorteil nicht, sondern stürmte die Treppe hinauf.
    Erschöpft kam ich wieder hoch und stolperte selbst Richtung Treppe. Als ich die ersten Stufen nahm, war der andere bereits fast oben angelangt. Obwohl ich drei Stufen auf einmal nahm, war ich noch immer fünf Schritte hinter ihm, als er die Tür zuknallte, und ich schaffte es nicht mehr, mich dagegenzuwerfen. Ich hörte, wie er den Riegel vorschob und mich in völliger Finsternis zurückließ.
    Frustriert aufheulend warf ich mich mit der Schulter gegen die Tür, doch ich prallte nur ab, stolperte erneut und rutschte hilflos ein paar Stufen hinunter. Nun geriet ich in Panik, zumal Lee noch irgendwo da oben sein musste und ich sie verraten hatte, weil wir nicht sofort abgehauen waren, als wir noch die Gelegenheit hatten. Wie irre rammte ich gegen die Tür und versuchte, wenigstens so viel Lärm wie möglich zu machen. Zur Panik kam nun auch noch eine wachsende Klaustrophobie hinzu, und ich begann, mich selbst zu hassen und zu verfluchen. Nachdem ich gerade eben aus einem verriegelten Raum befreit worden war, hatte ich mich keine Viertelstunde später wieder in dieselbe Position gebracht, weil ich die erste Regel eines Undercover-Einsatzes missachtet hatte, die da lautet, sofort zu fliehen, wenn es heiß wird, und es der Kavallerie zu überlassen, die Trümmer zusammenzufegen.
    Heftig keuchend hielt ich ein paar Sekunden inne, um zu Atem zu kommen. Zig Fragen quälten meinen Verstand. War das Kent, der mich attackiert hatte? Falls ja, wie hatte er es geschafft, sich von seinen Fesseln zu befreien und Clarence Haddock in einem fünfzig Meter entfernten Schuppen zu erstechen? Und warum war er dann in den Keller zurückgekehrt, wenn er hätte genauso gut fliehen können? Und falls mich nicht Kent angegriffen hatte, wer dann? Haddock und Tommy waren tot, wer also blieb noch übrig?
    Der nächstliegende Name fiel mir ein, und genau in diesem Augenblick hörte ich, wie sich vorsichtige Schritte näherten.
    »Hallo?«, rief Tyrone Wolfe, seine Stimme hallte in dem leeren Gebäude. »Wo seid ihr? Clarence, Lee? Meldet euch.« Er klang einigermaßen verunsichert, als wäre er gerade hereingekommen und überrascht, das Haus dunkel und verlassen vorzufinden.
    Versuchte Wolfe einen Trick? Doch wenn er der Typ war, der mich gerade angegriffen hatte, wusste er ja, dass er mich weggeschlossen hatte – Tricks wären einfach unnötig. Eingesperrt in einem dunklen Keller, blieb mir nichts anderes übrig, als ihm zu vertrauen.
    So laut ich konnte hämmerte ich gegen die Tür. »Tyrone! Ich bin’s, Sean. Lass mich raus.«
    Die Schritte kamen näher. »Was machst du da drin?«
    Also erzählte ich ihm die Wahrheit. Wie Lee mich befreit hatte, die Entdeckung von erst Haddocks, dann Tommys Leiche, Kents Verschwinden, der leere Bürosessel, und dass mich jemand attackiert hatte.
    »Wo ist Lee?«, bellte er, der Hysterie nahe.
    »Ich weiß nicht. Als ich hier runter bin, habe ich sie da, wo du jetzt bist, stehenlassen. Ist sie nicht bei dir?«
    »Nein, ist sie nicht. Hier ist niemand.«
    »Vor zwei Minuten war sie noch da. Ehrlich!«
    »Woher soll ich wissen, dass du nicht lügst?«
    »Weil ich mich nicht selbst hier eingesperrt haben kann. Und wenn du mir nicht glaubst, dann geh doch und sieh selbst nach Haddock. Er ist in dem Schuppen neben dem Haus.«
    »Und er ist tatsächlich tot?«, fragte Wolfe ungläubig, was ich gut verstand. Es fiel einem schwer zu glauben, ein so bedrohlicher Hüne wie Haddock könne von irgendwem zur Strecke gebracht werden.
    »Mausetot«, entgegnete ich. »Tommy auch.«
    Er schwieg mehr als nur ein paar Augenblicke, offensichtlich brauchte er eine Weile, das Gehörte zu verdauen. Während er ein paar Knarren vergraben hatte, hatte jemand seine Crew ausgelöscht, und zudem war seine Freundin verschwunden. Möglicherweise steckte sie sogar mit drin, denn im Augenblick schien schlichtweg alles möglich. Eines war jedoch glasklar: Tyrone Wolfe tappte genauso im Dunkeln wie ich, und wenigstens das

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