Instinkt
unnatürliche Geräusch auszumachen, doch da war nichts als die Dunkelheit, die mich umgab.
Unten angekommen, lehnte ich mich einen Moment gegen die kalte Steinmauer, fasste mein Messer fester und zündete das Feuerzeug wieder an. Der Keller war geräumig, fensterlos und voller Spinnweben. In der Mitte stand ein nagelneuer Bürosessel, dessen Räder man abmontiert hatte. Um die Armlehnen und den Zylinder waren dicke Schichten Klebeband gewickelt. An einer glaubte ich trotz der Dunkelheit Blut erkennen zu können.
Doch das überraschte mich eigentlich nicht. Mich überraschte, dass der Sessel leer war.
Wo verdammt nochmal steckte Andrew Kent?
Da sah ich etwas in der Ecke hinter dem Sessel am Boden liegen. Ich hielt das Feuerzeug etwas höher und ging darauf zu.
Großer Gott.
Ein menschlicher Körper; er hatte sich zu einem fötalen Ball zusammengerollt und trug einen blauen Overall. Auch wenn sein Gesicht blutverkrustet war, erkannte ich ihn sofort. Diese unverkennbare blonde Mähne war Tommys ganzer Stolz gewesen.
Als ich mich zu ihm hinabbeugte, entdeckte ich, dass aus seinem Mundwinkel noch Blut troff und ihm über das Kinn rann. Er musste erst vor kurzem gestorben sein. In den letzten Minuten. Als wir vielleicht schon im Haus gewesen waren.
Und dann hörte ich das Geräusch hinter mir.
FÜNFUNDDREISSIG
Ich konnte gerade noch den Schatten erkennen, der mich aus der Dunkelheit ansprang. Im Licht des Feuerzeugs sah ich kurz Metall aufblitzen, ehe der Angreifer mich mit einem Bodycheck gegen die Wand rammte und mir das Feuerzeug aus der Hand flog. Dann war es stockdunkel, und ich spürte, wie der Mann versuchte, mir das Handgelenk zu verdrehen, damit ich mein Messer fallen ließ.
Meine Rippen taten durch den harten Aufprall höllisch weh, doch ein immenser Adrenalinstoß und der nackte Überlebensinstinkt blendeten den Schmerz aus. Mit meiner freien Hand schlug ich seinen Messerarm weg und schaffte es, sein Handgelenk ebenfalls zu packen, doch er war ziemlich kräftig, und die Klinge zerfetzte mein Hemd und schnitt mir ins Fleisch, als er versuchte, sie mir in den Bauch zu rammen. Im letzten Moment gelang es mir, ihn wegzudrücken, aber gleichzeitig verstärkte auch er den Druck auf mein Handgelenk, und ich musste meine gesamte Willenskraft aufbieten, um nicht mein Messer fallen zu lassen.
Ein ehemaliger Boxer und in zahllosen Stadionschlachten erprobter Hooligan hatte mir einmal erklärt, wenn es zum Nahkampf komme, sei die beste Waffe der Kopf. Daran erinnerte ich mich und rammte meinen Kopf nach vorn und hoffte, ihn auf der Nase zu erwischen, damit er das Gleichgewicht verlor. Unglücklicherweise hatte er im selben Moment dieselbe Idee, und so krachten unsere Köpfe mit voller Wucht zusammen. Es knallte so laut, dass wir beide für einen Augenblick erschrocken zurückzuckten.
Ganz kurz lockerte sich sein Griff, und ich schaffte es, mich von der Wand abzustoßen und ihn nach hinten zu drängen. Doch er bewahrte das Gleichgewicht und hing weiter an mir wie eine Klette. Verbissen schoben wir uns hin und her, wobei er ständig versuchte, einen Kopfstoß zu landen.
Zweimal konnte ich ihm ausweichen, doch beim dritten Mal stieß ich gegen den Bürosessel, stolperte und blieb mit knapper Mühe auf den Beinen. Er nutzte das aus und ließ die Klinge nach oben schnellen, bis sie nur noch Zentimeter von meinem Gesicht entfernt war und ich sie trotz der Dunkelheit sehen konnte. Seinen Schwung ausnutzend, rammte er mich in ein Regal und brachte die Klinge so nah heran, dass sie kaum mehr einen Fingerbreit vor meinem Auge stand.
Außer dem schwachen Glitzern der Schneide konnte ich nichts erkennen, dafür hörte ich seinen schweren, abgestandenen Atem, der mir säuerlich ins Gesicht schlug.
»Um Himmels willen, hilf mir doch!«, schrie ich in der Hoffnung, Lee würde genug Mut fassen, um herunterzukommen.
Mein ganzer Arm zitterte von der Anstrengung, sein Handgelenk wegzudrücken und ihn davon abzuhalten, mir sein Messer durchs Auge ins Gehirn zu rammen. Es war ein reines Kräftemessen, in dem ich keine Chance hatte, denn der Angreifer hatte die Wucht des Angriffs für sich und war mir physisch überlegen, da ich verletzt war und ihm nichts entgegenzusetzen hatte als meine Verzweiflung. Ich stieß einen wütenden Schrei aus und rammte meinem Gegner mit letzter Kraft das Knie in die Eier. Ich überraschte ihn, er ließ los und wich mit lautem Grunzen ein paar Schritte zurück. Ich sah meine Chance und setzte mit
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