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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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Geräusche, die die Wahren Menschen machten, wenn sie ihren geheimnisvollen Beschäftigungen folgend durch die oberen Luftschichten flogen. Ihm war das drohende Summen vertraut, das einem von den Städten entgegenschlug, wenn man sich ihnen zu sehr näherte. Er kannte ebenfalls das Klicken der wenigen verbliebenen Manshonyagger, die durch die Wildnis krochen und bereit waren, jeden Nicht-Deutschen zu töten. Arme blinde Maschinen, die man so leicht übertölpeln konnte.
    Aber dieser Laut, dieser Laut war anders. Er erinnerte an nichts, was er je zuvor gehört hatte.
    Das lärmende Pfeifen nahm zu und wurde so schrill, daß es fast schmerzhaft klang. Es schwoll an und ab, als ob die Lärmquelle sie spiralförmig umkreisen und dabei immer näher kommen würde. Tiefer Schrecken überwältigte Charls angesichts dieser Bedrohung, die sein Begriffsvermögen überstieg.
    Nun hörte auch Oda es. Sie vergaß ihren Streit und umklammerte seinen Arm. »Was ist das, Charls? Was kann das sein?«
    Nur zögernd antwortete er, und seine Stimme klang unsicher. »Ich weiß es nicht.«
    »Sind die Wahren Menschen dafür verantwortlich? Planen sie etwas Neues? Wollen sie uns bestrafen oder uns versklaven? Wollen sie uns fangen? Wird man uns einsperren? Charls, sag mir, wird man uns einsperren? Kann es wirklich sein, daß die Wahren Menschen kommen? Mir scheint, ich rieche Wahre Menschen. Sie sind schon einmal gekommen und haben einige von uns gefangen und fortgeschafft und ihnen seltsame Dinge angetan, so daß sie selbst wie Wahre Menschen aussahen, stimmt das nicht, Charls? Könnten das wieder die Wahren Menschen sein?«
    Trotz seiner Furcht empfand Charls tiefe Abneigung für Oda. Sie redete zuviel.
    Der Lärm verstärkte sich. Charls spürte, daß die Quelle sich direkt über seinem Kopf befand, aber er konnte nichts erkennen.
    »Charls«, sagte Oda, »ich glaube, ich sehe es. Siehst du es auch, Charls?«
    Plötzlich entdeckte auch er den Kreis – etwas Trübweißes, ein dampfendes Objekt, das an Umfang und Größe gewann. Parallel dazu wuchs der Lärm, bis er befürchtete, sein Trommelfell würde platzen. Niemals zuvor hatte er etwas Ähnliches auf dieser Welt gehört …
    Ein Gedanke erschütterte ihn so heftig wie ein körperlicher Schlag. Der Gedanke raubte ihm den Mut und die Männlichkeit, und er fühlte sich nicht mehr jung und stark. Kaum brachte er die Worte heraus.
    »Oda, könnte es sein …«
    »Was sein?«
    »Könnte das eine der alten, alten Waffen aus der Urzeit sein? Könnte es sein, daß sie zurückkehrt, um uns alle zu zerstören, wie es die Legenden schon immer prophezeit haben? Es hat immer geheißen, daß sie eines Tages zurückkehren …« Seine Stimme erstarb.
    Von welcher Art die Gefahr auch sein mochte, er wußte, daß er vollkommen hilflos war, unfähig, sich davor zu schützen, unfähig, Oda in Sicherheit zu bringen.
    Gegen die alten Waffen gab es keine Verteidigung. Dieser Ort war so unsicher wie jeder andere auf dieser Welt. Die Menschen mußten noch immer unter der Drohung der Waffen aus der lange vergessenen Vergangenheit leben. Zum ersten Mal wurde er nun persönlich mit dieser Drohung konfrontiert, aber er hatte schon früher davon gehört. Er griff nach Odas Hand.
    Oda, die nun, da die Gefahr Gestalt angenommen hatte, sonderbarerweise Mut zeigte, zog ihn hinüber zur Böschung, fort von der Quelle. Benommen fragte er sich, warum sie sich von dem Wasser entfernen wollte. Sie zerrte an seinem Arm, und er ließ sich neben ihr nieder.
    Er wußte, daß es bereits zu spät war, um nach ihren Eltern oder den anderen Mitgliedern ihres Rudels Ausschau zu halten. Manchmal dauerte es einen ganzen Tag, um die Familie zusammenzubekommen – das Ding kam unaufhaltsam näher, und Charls fühlte sich so kraftlos, daß er nicht einmal mehr sprechen konnte. Laß uns hier alles weitere abwarten, übermittelte er ihr gedanklich, und sie drückte seinen Arm, als sie lautlos erwiderte: Ja, mein Bruder.
    Das große Objekt in dem Kreis aus Licht setzte unerbittlich seinen Sturz fort.
    Es war seltsam. Charls spürte die Gegenwart eines Menschen, aber sein Bewußtsein blieb ihm auf merkwürdige Weise versperrt. Es war eine völlig fremde Persönlichkeit. Er hatte die Gedanken der Wahren Menschen bei ihren Flügen hoch durch die Luft gelesen. Er kannte die Denkweise seines Volkes. Er konnte die Gedanken der meisten Vögel und Tiere voneinander unterscheiden. Es war für ihn kein Problem, den nackten elektronischen Hunger

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