Intelligenzquotient 10000
alle Gedankenbilder, die sie ihm zeigen wollte, sah er auch: ihr trostloses Leben im Raumschiff, mit nur der ewigen Nacht des Alls um sie, und den abnormalen Verlangen ihrer Körper quälend in ihnen. Ja, diese Bilder sollten Mitgefühl erwecken. Aber sie taten es nicht. Sie war zu kalt. Die Jahre und ihre unnatürliche Krankheit hatten sie geprägt.
Außerdem war sie ihm immer näher gerückt, beugte sich über ihn ganz dicht, daß er ihren heißen, erregten Atem spürte. Ihr Körper zitterte. Sie hatte nur noch ein Verlangen. »Ich will, daß du mich küßt«, hauchte sie. »Und du brauchst keine Angst zu haben, ich werde dich noch viele Tage am Leben erhalten. Aber du mußt mitmachen, etwas für mich empfinden, darfst nicht passiv bleiben!«
Er glaubte ihr nicht. Ihr Gesicht war nun fünfzehn Zentimeter über seinem. Eine solche Wildheit sprach daraus, daß sie zweifellos nicht vor dem Tod haltmachen würde. Ihre Lippen waren leicht gespitzt und sie zitterten von unnatürlicher, ja obszöner Lust. Ihre Nasenflügel verengten sich bei jedem Atemzug. Ganz gewiß konnte kein normaler Mensch, der so oft wie sie in all ihren Jahren geküßt hatte, so heftig empfinden, wenn es nur um eine harmlose Leidenschaft ging.
»Schnell!« keuchte sie. »Leg die Arme um mich. Liebe mich!«
Leigh hörte sie kaum. Dieser andere Geist in ihm übernahm auf unglaubliche Weise. Er hörte sich ohne sein Zutun sagen: »Ich vertraue deinem Versprechen. Ich kann dir nicht widerstehen. Küß mich, soviel es dir gefällt. Ich glaube, ich kann es ertragen …«
Ein blauer Blitz zuckte auf. Er empfand ein schreckliches Brennen, das jeden einzelnen Nerv in ihm erfaßte. Das fast unerträgliche Brennen wurde zu einer Folge kleinerer Schmerzen, als stächen Tausende von Nadeln überall in sein Fleisch, bis es wie ein Prickeln schien. Erstaunt darüber, daß er noch lebte, öffnete Leigh die Augen.
Verwirrt blinzelte er. Die Frau lag schlaff quer über seiner Brust. Und der fremde Geist in ihm sah interessiert zu, als Jeel herbeigestürzt kam, erstarrte und nach unmerklichem Zögern vorwärts rannte. Er riß die bewußtlose Frau in seine Arme und drückte kurz seine Lippen auf ihre. Ein blauer Blitz, wie Leigh ihn zuvor erlebt hatte, schoß von dem Dreeghmann auf die Frau über. Endlich kam sie zu sich, stöhnte. Er schüttelte sie wild. »Du verdammte Närrin!« wütete er. »Wie konntest du so etwas zulassen? Du hättest in einer Minute tot sein können, wenn ich nicht dazugekommen wäre.«
»Ich – weiß es – nicht.« Ihre Stimme klang dünn und alt. Sie sank auf den Boden zu seinen Füßen und blieb wie eine müde Greisin liegen. Ihr vorher so strahlend goldblondes Haar wirkte jetzt fast farblos. »Ich weiß es nicht, Jeel. Ich versuchte, mir seine Lebensenergie zu holen, dabei hat er mir statt dessen meine genommen. Er …« Ihre blauen Augen weiteten sich. Sie taumelte auf die Füße. »Jeel! Er muß ein Spion sein! Kein Erdenmensch hätte so etwas fertiggebracht. Jeel …« Ihre Stimme klang plötzlich panikerfüllt. »Jeel, laß uns schnell verschwinden. Verstehst du denn nicht? Er hat meine Lebenskräfte in sich! Was immer auch von ihm Besitz ergriffen hat, hat nun meine Energie zur Verfügung …«
»Ist schon gut, beruhige dich.« Er tätschelte ihre Hand. »Ich versichere dir, er ist ein ganz gewöhnlicher Mensch. Und er hat deine Energie. Du hast einen Fehler gemacht, und die Lebenskraft floß in die verkehrte Richtung. Aber es gehört viel mehr dazu – egal, wer seinen Körper übernommen hat – ihn erfolgreich gegen uns anzuwenden. Also …«
»Aber du verstehst nicht!« Sie schrie es fast, obwohl ihre Stimme zitterte. »Jeel, ich habe dich betrogen. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, aber ich konnte einfach nicht genug von der Lebenskraft bekommen. Bei jeder Gelegenheit, während der vier Male auf der Erde, habe ich mich hinausgestohlen. Ich habe mir den nächstbesten auf der Straße genommen. Ich weiß nicht genau, wie viele es waren, weil ich immer gleich ihre Körper auflöste, nachdem ich mit ihnen fertig war. Aber es waren Dutzende! Und er hat jetzt die ganze Energie, die ich aufspeicherte. Genug für Jahrzehnte – verstehst du denn nicht? Genug für sie! «
»Meine Liebe!« Der Dreegh schüttelte sie heftig, wie ein Arzt eine Hysterikerin. »Tausend Jahre haben die Großen uns nicht beachtet und …« Er hielt inne und runzelte die Stirn. Als Leigh sich erhob, wirbelte er herum wie ein Tiger.
Leigh
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