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Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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welche die Ereignisse der Nacht herunterleierte, verängstigte sie stärker, als Edgler Vess es noch tat. Ihre Erzählung hörte sich an, als trüge eine andere Person sie vor, und diese Stimme gehörte zu einem verzweifelten und besiegten Menschen.
    Sie sagte sich, sie sei nicht besiegt, habe noch Hoffnung, würde diesen mörderischen Schweinehund auf die eine oder andere Art erwischen. Aber ihrer inneren Stimme fehlte jede Überzeugungskraft.
    Trotz Chynas stumpfsinniger Aufzählung der Ereignisse hörte Vess aufmerksam zu. Anfangs flegelte er sich entspannt zurückgelehnt auf dem Stuhl, doch als Chyna fertig war, hatte er die Arme auf den Tisch gelegt und sich zu ihr hinübergebeugt.
    Er unterbrach sie mehrmals, um Fragen zu stellen. Am Ende saß er eine Weile in nachdenklichem Schweigen da.
    Sie konnte es nicht ertragen, ihn anzusehen. Sie faltete die Hände auf dem Tisch, schloß die Augen und legte die Stirn auf die nebeneinander liegenden Daumen, wie sie es auch getan hatte, als Vess aus der Waschküche gekommen war.
    Auch diesmal betete sie nicht. Es mangelte ihr an der Hoffnung, die für ein Gebet nötig war.
    Nach ein paar Minuten hörte sie, daß Vess seinen Stuhl vom Tisch zurückschob. Er stand auf. Sie hörte, daß er sich bewegte, und dann erklang das vertraute Geklapper, das stets mit Küchenarbeit einhergeht.
    Sie roch, daß Butter in einer Pfanne erhitzt wurde und dann Zwiebeln schmorten.
    Als Chyna ihre Geschichte erzählt hatte, hatte sie den Appetit verloren, und er kehrte auch mit dem Duft der Zwiebeln nicht zurück.
    »Komisch«, sagte Vess schließlich, »daß ich Sie bei den Templetons nicht sofort gerochen habe.«
    »Das können Sie?« fragte sie, ohne den Kopf von den Händen zu heben. »Sie können Menschen einfach riechen, als wären Sie ein Hund?«
    »Normalerweise schon«, sagte er, ohne beleidigt zu sein, und er schien es völlig ernst zu meinen. »Und Sie müssen im Verlauf der Nacht mehr als nur ein Geräusch gemacht haben. So geschickt können Sie gar nicht sein. Ich hätte sogar ihren Atem hören müssen.«
    Dann kam das Geräusch eines Schneebesens, mit dem die Eier in der Schüssel heftig verquirlt wurden.
    Sie roch frisch getoastetes Brot.
    »In einem so ruhigen Haus, in dem alles tot ist, hätten Ihre Bewegungen Luftströmungen verursachen müssen. Ein kühler Hauch auf meinem Nacken, die feinen Härchen auf meinen Händen hätten erzittern müssen … Jede Ihrer Bewegungen hätte eine besondere Struktur auf meinen Augen erzeugen müssen. Und als ich durch einen Raum ging, in dem Sie gerade gewesen waren, hätte ich die Luftverdrängung spüren müssen, die Ihre Bewegungen verursacht haben.«
    Er war völlig verrückt. So hübsch in seinem Baumwollhemd, mit seinen wunderschönen blauen Augen, das dichte schwarze Haar glatt von der Stirn zurückgekämmt, ein Grübchen in der linken Wange – aber innerlich warzig, vereitert, völlig verfault.
    »Meine Sinne sind nämlich ungewöhnlich scharf.«
    Wasser floß in die Spüle. Ohne hinzuschauen, wußte sie, daß er den Schneebesen abspülte. Er würde ihn nicht schmutzig beiseite legen.
    »Meine Sinne sind so scharf, weil ich mich Gefühlen und Wahrnehmungen vollkommen hingebe«, sagte er. »Die Wahrnehmung ist sozusagen meine Religion.«
    Ein Zischen erklang, viel lauter als das Geräusch, mit dem die Zwiebeln angebraten worden waren. Dann ein neuer Geruch.
    »Aber Sie waren für mich unsichtbar«, sagte er. »Wie ein Geist. Was ist an Ihnen so besonders?«
    »Wäre ich etwas Besonderes«, murmelte sie verbittert gegen die Tischplatte, »dann säße ich wohl kaum in Ketten hier.«
    Obwohl Chyna eigentlich gar nicht zu ihm gesprochen hatte und nicht gedacht hätte, daß er sie über dem scharfen Brutzeln der Eier und Zwiebeln hören konnte, sagte Vess: »Da haben Sie wohl recht.«
    Als er später die Teller auf den Tisch stellte, hob sie den Kopf und bewegte die Hände.
    »Anstatt Sie mit den Händen essen zu lassen, gebe ich Ihnen lieber eine Gabel«, sagte er, »denn Sie haben sicher eingesehen, daß es sinnlos ist, sie nach mir zu werfen, um mir ein Auge auszustechen.«
    Sie nickte.
    »Braves Mädchen.«
    Auf ihrem Teller lag ein pralles Omelett aus vier Eiern, aus dem Cheddar-Käse quoll und in das geröstete Zwiebeln eingebacken waren. Darauf lagen drei feste Tomatenscheiben und ein Gesprenkel gehackter Petersilie. Zwei Scheiben gebutterten Toasts, beide fein säuberlich diagonal in der Mitte durchtrennt, rahmten das Omelett

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