Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
werden, da hätten Sie das in ihrem Biologie-Grundkurs lernen müssen. Es ist nämlich so: Gewisse Plattwürmer können allmählich lernen, ein Labyrinth zu passieren …«
    Ihr fiel es wieder ein, und sie unterbrach ihn. »Wenn man sie dann zerkleinert und an andere Plattwürmer verfüttert, kommen die mit weniger Versuchen durch dasselbe Labyrinth.«
    »Gut. Ja.« Vess nickte zufrieden. »Sie absorbieren das Wissen mit dem Fleisch.«
    Sie mußte nicht überlegen, wie sie ihre nächste Frage formulieren sollte, denn man konnte Vess weder beleidigen, noch ihm schmeicheln. »Großer Gott, Sie glauben doch nicht allen Ernstes, daß Sie jetzt wissen, wie es ist, eine Spinne zu sein, und daß Ihnen das gesamte Wissen einer Spinne zur Verfügung steht, nur weil Sie sie gegessen haben?«
    »Natürlich nicht, Chyna. Würde ich so simpel denken, wäre ich verrückt. Nicht wahr? Dann würde ich in irgendeiner Anstalt sitzen und mit einem Haufen eingebildeter Freunde sprechen. Aber durch meine scharfen Sinne habe ich tatsächlich von der Spinne eine unbeschreibliche Spinnenhaftigkeit absorbiert, die Sie niemals verstehen könnten. Ich habe mein Bewußtsein geschärft und weiß nun genauer als zuvor, daß eine Spinne ein wunderbar konstruierter kleiner Jäger ist, ein Machtgeschöpf. Spinne ist nämlich ein Machtwort, auch wenn man es nicht aus den Buchstaben meines Namens bilden kann.« Er zögerte, dachte kurz nach und fuhr dann fort: »Aber man kann es mit den Buchstaben Ihres Namens bilden.«
    Sie verzichtete darauf, ihn an die affektierte Schreibweise ihres Namens zu erinnern. In den Buchstaben von »Chyna Shepherd« steckte lediglich spyder.
    »Und es war riskant, eine Spinne zu essen, was beträchtlich zu dem Reiz beigetragen hat«, fuhr Vess fort. »Wenn man kein Entomologe ist, weiß man nie genau, ob eine Gattung giftig ist oder nicht. Einige, wie die Braune Einsiedlerspinne, sind extrem gefährlich. Ein Biß in die Hand ist eine Sache … aber ich mußte sehr schnell vorgehen und sie an meinem Gaumen zerquetschen, bevor sie mir in die Zunge beißen konnte.«
    »Sie gehen gern Risiken ein.«
    Er zuckte mit den Achseln. »So ein Typ bin ich nun mal.« »Hauptsache Nervenkitzel – on edge .«
    »Worte in meinem Namen«, sagte er anerkennend. »Und wenn sie Sie in die Zunge gebissen hätte?«
    »Schmerz ist wie Vergnügen, nur anders. Lernen Sie, ihn zu genießen, und Sie werden ein glücklicheres Leben führen.«
    »Selbst Schmerz ist wertneutral?«
    »Klar. Nur eine Wahrnehmung. Er hilft, das Riff der Seele wachsen zu lassen – falls es eine Seele gibt.«
    Sie hatte keine Ahnung, wovon er sprach – das Riff der Seele – und fragte ihn auch nicht. Sie hatte ihn satt. Sie war es satt, ihn zu fürchten, ja sogar, ihn zu hassen. Mit ihren Fragen versuchte sie etwas zu verstehen ; das hatte sie ihr Leben lang versucht, und sie hatte diese Suche nach den Ursachen gründlich satt. Sie würde nie begreifen, warum manche Leute unzählige kleine Grausamkeiten begingen – oder größere –, und der Kampf um das Verständnis hatte sie erschöpft und innerlich leer, kalt und grau zurückgelassen.
    Vess zeigte auf ihren roten und geschwollenen Zeigefinger. »Das muß weh tun«, sagte er. »Und Ihr Nacken auch.«
    »Die Kopfschmerzen sind am schlimmsten. Und nichts davon ist gerade angenehm.«
    »Nun ja, so auf die Schnelle kann ich Ihnen den Weg der Erleuchtung nicht aufzeigen, Ihnen beweisen, daß Sie falsch liegen. Das erfordert Zeit. Aber es gibt eine kleine Lektion, die man schnell lernen kann …«
    Er erhob sich von seinem Stuhl und ging zu einem Gewürzregal neben den Küchenschränken. Zwischen den kleinen Flaschen und Dosen mit Thymian, Gewürznelken, Dill, Muskatnuß, Chilipulver, Ingwer, Majoran und Zimt stand eine Flasche Aspirin.
    »Die nehme ich nicht gegen Kopfweh. Ich will den Schmerz auskosten. Aber ich habe immer Aspirin zur Hand, weil ich gelegentlich eine kaue, um den Geschmack zu erleben.« »Sie schmecken scheußlich.«
    »Nur bitter. Bitterkeit kann genauso angenehm wie Süße sein, wenn man erst mal gelernt hat, daß jede Erfahrung, jede Wahrnehmung lohnend ist.«
    Er kehrte mit der Flasche Aspirin zurück. Er stellte sie vor ihr auf den Tisch – und nahm ihr das Glas Wasser weg.
    »Nein, danke«, sagte sie.
    »Auch Bitterkeit hat seinen Platz auf der Welt.«
    Sie ignorierte die Flasche.
    »Wie Sie wollen«, sagte Vess und räumte die Teller ab.
    Obwohl Chyna gern ihre diversen Schmerzen gelindert

Weitere Kostenlose Bücher