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Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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überprüfte. Erleichtert stellte sie fest, daß ihr Urin klar war.
    Doch als sie in den Spiegel über dem Waschbecken schaute, versetzte das Bild ihr einen Schock. Ihr kurzes Haar war verfilzt und so verschwitzt, daß es glatt hinabhing. Die rechte Gesichtshälfte schien am Kiefer mit purpurner Tinte verschmiert zu sein, doch als sie sie berührte, stellte sie fest, daß es sich um den Rand einer Prellung handelte, welche diese gesamte Seite ihres Halses verunstaltete. Wo ihre Haut nicht geprellt oder dreckverschmiert war, war sie grau und körnig, als hätte sie gerade eine lange und schwere Krankheit überstanden. Ihr rechtes Auge war feuerrot, kein Weiß war mehr sichtbar: nur die dunkle Iris und die dunklere Pupille, die in einer elliptischen Blutpfütze trieb. Sowohl das blutunterlaufene als auch das klare linke Auge starrten sie mit einem so entnervend gehetzten Blick an, daß sie sich voller Verwirrung und Furcht von ihrem eigenen Spiegelbild abwandte.
    Das Gesicht im Spiegel war das einer Frau, welche die Schlacht bereits verloren hatte. Nicht das Gesicht eines Siegertyps.
    Chyna versuchte diesen entmutigenden Gedanken sofort zu verdrängen. Sie hatte das Gesicht einer Kämpferin gesehen – nicht nur das Gesicht einer bloßen Überlebenden, sondern das einer Kämpferin . Und jeder, der einen Kampf leistet, trägt Wunden davon, am Körper wie auch an der Seele. Ohne Qual und Schmerz bestand nicht die geringste Hoffnung auf den Sieg.
    Sie schlurfte vom Bad zu der Tür auf der rechten Seite des Korridors, hinter der sich, wie sich herausstellte, Vess’ Schlafzimmer befand. Einfach und überaus spärlich eingerichtet. Ein ordentlich gemachtes Bett mit einer beigen Chenille-Decke. Keine Gemälde. Keine Nippsachen, kein Zierrat. Keine Bücher oder Zeitschriften, keine Zeitungen mit angefangenen Kreuzworträtseln. Das war nur ein Ort, an dem er schlief, kein Raum, in dem er länger verweilte oder wohnte.
    In Wirklichkeit wohnte er im Schmerz anderer, in einem Sturm des Todes, im ruhigen Auge des Sturms, in dem alles ordentlich war, während der Wind auf allen Seiten heulte.
    Chyna suchte in den Schubladen des Nachttisches nach einer Schußwaffe, fand aber keine. Sie fand auch kein Telefon.
    Der große, begehbare Schrank war drei Meter tief und so breit wie das Schlafzimmer, im Prinzip ein eigener Raum. Auf den ersten Blick enthielt er nichts, was für sie nützlich sein könnte. Sie war überzeugt, daß sich irgend etwas fand, wenn sie gründlich suchte, vielleicht sogar eine gut versteckte Pistole. Aber sie stand vor Einbauschränken mit prall gefüllten Regalen und vollgepackten Schubladen, und zahlreiche Kisten standen aufeinander; sie würde Stunden brauchen, um alles zu durchforsten. Dringendere Aufgaben erwarteten sie.
    Sie leerte die Schubladen auf den Boden aus, aber sie enthielten nur Socken, Unterwäsche, Pullover, Sweatshirts und ein paar zusammengerollte Gürtel. Keine Waffen.
    Gegenüber von Vess’ Schlafzimmer befand sich ein spartanisch eingerichtetes Arbeitszimmer. Jalousien statt Vorhänge. Auf zwei langen Schreibtischen standen zwei Computer, jeder mit eigenem Laserdrucker. Von den zahlreichen Zusatzgeräten, die an die Computer angeschlossen waren, konnte sie einige identifizieren, während andere ihr rätselhaft blieben.
    Zwischen den langen Tischen stand ein Bürostuhl. Der Boden war nicht von einem Teppich bedeckt, das nackte Holz war sichtbar, offensichtlich, damit Vess leichter zwischen den Tischen hin und her rollen konnte.
    Der triste, funktionelle Raum faszinierte sie. Sie spürte, daß es sich um ein wichtiges Zimmer handelte. Zeit war kostbar, aber hier gab es etwas, das zu untersuchen sich lohnte.
    Sie nahm auf dem Stuhl Platz und sah sich verwirrt um. Sie wußte, daß die Welt heutzutage verkabelt war, selbst in dieser gottverlassenen Gegend, aber es kam ihr trotzdem komisch vor, diese hochmodernen Geräte in einem so abgelegenen und rustikalen Haus zu finden.
    Chyna vermutete, daß Vess ans Internet angeschlossen war, aber es war kein Telefon oder Modem in Sicht. In der Fußleiste entdeckte sie zwei leere Telefonbuchsen. Seine pedantischen Sicherheitsvorkehrungen hatten ihm erneut gut gedient; hier kam sie keinen Schritt weiter.
    Was tat er in diesem Raum?
    Auf einem der Schreibtische lagen etwa sieben Notizbücher mit bunten Umschlägen, und sie öffnete das nächstgelegene. Das Ringbuch war in fünf Abschnitte unterteilt, von denen jeder den Namen einer Behörde der

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