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Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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irgendeinem Lehrbuch fand.
    Doch aus erster Hand war die Wirkung solcher Brutalität schlimmer, als Worte es ausdrücken konnten. Fast lähmend. Chynas Beine fühlten sich schwer und steif an. Das Kribbeln in ihren Händen kündete von einer aufkommenden Taubheit.
    Sarah Templeton war in der Duschkabine, die von der Wanne getrennt war. Obwohl die Glastür geschlossen – und beschlagen – war, konnte Chyna undeutlich eine verschwommen rosige Gestalt ausmachen, die auf dem Boden der Dusche lag.
    Auf die Laibung oberhalb der Glastür hatte der Mörder zwei Worte geschrieben. Die schwarzen Buchstaben waren aus zahlreichen Strichen eines Augenbrauenstifts zusammengesetzt: DIRTY BITCH. Dreckige Schlampe.
    Nie im Leben hatte Chyna sich etwas so sehr gewünscht wie jetzt: von der Verpflichtung entbunden zu werden, in diese Duschkabine zu schauen. Sarah war bestimmt nicht mehr am Leben.
    Doch wenn sie sich abwandte, ohne sich überzeugt zu haben, daß sie der Frau nicht mehr helfen konnte, würde eine untilgbare Schuld ihr eigenes Weiterleben in einen ständigen Tod verwandeln.
    Außerdem hatte sie ihr Leben dem Versuch gewidmet, genau diesen Aspekt der menschlichen Grausamkeit zu studieren, und keine veröffentlichte Fallstudie würde sie einem Verständnis näher bringen als das, was sie hier sah. In diesem Haus war heute nacht die düstere Landschaft eines psychopathischen Verstandes sichtbar geworden.
    Das Rauschen und Tropfen des fließenden Wassers, das von den gefliesten Wänden zurückgeworfen wurde, klang wie das Zischen von Schlangen und das spröde Gelächter seltsamer Kinder.
    Das Wasser mußte kalt sein. Ansonsten wäre Dampf über den oberen Rand der Duschkabine gequollen.
    Chyna hielt den Atem an, packte den eloxierten Aluminiumgriff und öffnete die Kabine.
    Sarah Templeton hatte ein kurzes hellgrünes Nachthemd und dazu passende Höschen getragen. Ihre Kleidung lag als nasses Knäuel in einer Ecke der Dusche.
    Nachdem ihr Mann erschossen worden war, war die Frau offensichtlich bewußtlos geschlagen worden, vielleicht mit dem Knauf der Waffe. Dann hatte man sie geknebelt; ihre Wangen beulten sich aus, weil man ihr irgendeinen Lappen in den Mund gezwungen hatte. Die Lippen waren mit Klebeband geschlossen worden, doch in der unaufhörlichen eisigen Gischt hatten die Ränder des Bands sich von der Haut geschält.
    Bei Sarah hatte der Mörder ein Messer benutzt. Sie lebte nicht mehr.
    Chyna schloß leise die Tür der Duschkabine.
    Wenn es so etwas wie Gnade gab, war Sarah Templeton nicht mehr aufgewacht, nachdem man sie ohnmächtig geschlagen hatte.
    Sie erinnerte sich daran, wie Sarah sie auf der Veranda umarmt hatte, als sie mit Laura eingetroffen war. Tränen unterdrückend, wünschte sie, an Stelle dieser herzlichen Frau läge sie selbst tot in der Duschkabine. In der Tat war sie schon halb tot und lebte von Minute zu Minute weniger, da mit jedem dieser Menschen ein Stück ihres Herzens gestorben war.
    Chyna kehrte ins Schlafzimmer zurück. Sie entfernte sich von dem Bett, ging aber nicht sofort zur Tür zum Korridor. Statt dessen stand sie in der dunkelsten Ecke und zitterte unbeherrscht.
    Ihr drehte sich der Magen um. Ein scharfes Brennen stieg in ihrer Brust empor, und ein bitterer Geschmack füllte ihren Gaumen. Sie kämpfte gegen den Drang an, sich zu übergeben. Der Mörder würde vielleicht ihr Würgen hören und dann kommen, um sie ebenfalls zu töten.
    Obwohl sie Lauras Eltern erst am vergangenen Nachmittag kennengelernt hatte, kannte Chyna sie auch aus zahlreichen Anekdoten und farbigen Schilderungen der Familienerlebnisse ihrer Freundin. Sie hätte noch mehr Trauer empfinden müssen, als es sowieso schon der Fall war, doch im Augenblick war ihre Aufnahmefähigkeit dafür begrenzt. Später würde es sie härter treffen. Trauer gedieh in einem ruhigen Herzen, und zur Zeit donnerte das ihre vor Entsetzen und Ekel.
    Sie war schockiert, daß der Mörder so viel Schaden angerichtet hatte, während sie nichtsahnend am Fenster des Gästezimmers gesessen, die Sterne betrachtet und an andere Nächte gedacht hatte, in denen sie von Dächern, Bäumen in Höfen oder Stränden zu ihnen hinaufgeschaut hatte. Nach allem, was sie gesehen hatte, hatte er sich mit Paul und Sarah mindestens zehn Minuten Zeit gelassen, bevor er den Rest des großen Hauses durchsucht hatte, um die verbleibenden Bewohner ausfindig zu machen und zu überwältigen.
    Manchmal genoß so ein Mensch den besonderen Nervenkitzel, wenn er das

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