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Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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ein paar wertvolle Sekunden für ihre Flucht verschaffen können. Dann würde er ihr folgen, und mit seinen langen Beinen war er ziemlich schnell. Der Ausgang des Rennens würde wohl davon abhängen, ob ihr Entsetzen oder seine irrsinnige Wut die größere Schubkraft freisetzte.
    Sie hörte eine Bewegung, das Knarren der Thekenklappe, Schritte. Ihr war schon schlecht, weil die Anspannung sich so in die Länge zog, und sie jubelte innerlich, als es den Anschein hatte, daß er ging.
    Dann wurde ihr klar, daß die Schritte nicht auf die Eingangstür des Ladens zuhielten. Vielmehr näherten sie sich ihr.
    Sie setzte sich auf den Hintern und preßte den Rücken gegen die Stirnwand der Regalreihe. Sie wußte nicht genau, wo er war. Im ersten der drei Gänge, im vorderen Teil des Ladens? Im mittleren Gang, unmittelbar links von ihr?
    Nein.
    Der dritte Gang.
    Rechts von ihr.
    Er ging an den Kühlschränken vorbei. Nicht schnell. Nicht, als wüßte er, daß sie hier war, und wolle sie erledigen.
    Sie erhob sich in die Hocke, zog die Schultern ein und rutschte nach links in den mittleren der drei Gänge. Hier wurde der Lichtschein der Kühltruhen, die sich nun eine Reihe entfernt befanden, zwar von der gefliesten Decke zurückgeworfen, spendete aber wenig Helligkeit. Alle Waren wurden von Schatten eingehüllt.
    Sie setzte sich in Bewegung, in Richtung Kassentheke, und war dankbar, daß die Sohlen ihrer Schuhe kaum Geräusche verursachten – da fiel ihr die Packung ein, aus der sie das Einwegfeuerzeug genommen hatte. Sie hatte sie auf dem Boden am Ende der Regalreihe liegenlassen.
    Er würde sie sehen, vielleicht sogar darauf treten. Vielleicht würde er annehmen, früher am Abend hätte ein Ladendieb das Feuerzeug aus der Verpackung genommen, um es leichter in die Tasche stecken zu können. Aber vielleicht würde er es auch  wissen .
    Die Intuition mochte ihm genauso dienlich sein, wie sie gelegentlich Chyna dienlich war. Wenn Intuition das Flüstern Gottes war, sprach zu einem Mann wie diesem vielleicht ein anderer, nicht so gütiger Gott.
    Sie kehrte zurück, beugte sich um die Ecke und hob die leere Verpackung auf. Das steife Plastik knisterte in ihrem zitternden Griff, doch das Geräusch war leise und wurde zum Glück von seinen Schritten übertönt.
    Als sie den zweiten Gang entlanghuschte, befand er sich mindestens auf halber Höhe des dritten. Doch er ließ sich Zeit, während sie so schnell lief, wie sie es wagte, und sie erreichte den Kopf ihres Gangs, bevor er am Ende des seinen angelangt war.
    Am Ende der Reihe stand kein flaches Regal wie auf der anderen Seite, sondern ein freistehendes Drehgestell mit Taschenbüchern, und Chyna wäre fast dagegen geprallt, als sie um die Ecke bog. Sie konnte gerade noch rechtzeitig anhalten und um das Gestell schlüpfen, das ihr nun Deckung bot.
    Auf dem Boden lag ein Polaroid-Foto: die Nahaufnahme eines betörend schönen Mädchens von etwa sechzehn Jahren mit langem platinblondem Haar. Die Gesichtszüge des Teenagers waren gefaßt, aber nicht entspannt, in einstudierter Freundlichkeit erstarrt, als wären die wahren Gefühle des Mädchens so explosiv, daß sie es zerstören würden, sollte es sie eingestehen. Nur die Augen straften die vermeintliche Gelassenheit Lügen; sie waren etwas geweitet, aufmerksam, schmerzhaft ausdrucksstark, Fenster einer gequälten Seele, voller Zorn und Furcht und Verzweiflung.
    Das mußte das Foto sein, das er den Verkäufern gezeigt hatte. Ariel. Das Mädchen im Keller.
    Obwohl sie und Ariel sich nicht im geringsten ähnelten, hatte Chyna den Eindruck, sie schaue eher in einen Spiegel als auf ein Foto. In Ariel erkannte sie ein Entsetzen, das mit der Furcht verwandt war, die ihre eigene Kindheit geprägt hatte, eine vertraute Verzweiflung, Einsamkeit, die so tief und kalt war wie ein Polarmeer.
    Die Schritte des Mörders holten sie wieder in die Gegenwart zurück. Dem Geräusch nach zu urteilen, war er nicht mehr im dritten Gang. Er war am Ende des Ladens um die Ecke gebogen und befand sich nun im mittleren Gang.
    Er kam zurück, auf demselben Weg, den Chyna gerade entlanggeflitzt war.
    Verdammt, was macht er nur?
    Sie wollte das Foto an sich nehmen, wagte es aber nicht. Sie legte es dorthin auf den Boden zurück, wo sie es gefunden hatte.
    Sie ging um das Taschenbuchgestell herum in den dritten Gang, den der Mörder gerade verlassen hatte, und lief wieder zum Ende der Regalreihe. Sie hielt sich dicht neben den Waren auf der linken Seite, fern

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