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Internet – Segen oder Fluch

Internet – Segen oder Fluch

Titel: Internet – Segen oder Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Sascha Lobo
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Argument der Befürworter ist, dass man so Diebstahl und Korruption erschweren könne, weil alle Geldflüsse nachverfolgbar seien. Genau diese Nachverfolgbarkeit ist aber wiederum Datenschützern ein Dorn im Auge.
    Die Schufa startete 2012 ein Forschungsprojekt zusammen mit dem Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik der Universität Potsdam, um herauszufinden, ob und wie man mit Hilfe von Daten aus dem Internet die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern vorhersagen kann. Verbraucherzentralen und Datenschützer aller Parteien protestierten vorsorglich, aber den wesentlichen Punkt hob Kristian Köhntopp in seinem Blog hervor: «Die Schufa stellt über Menschen in Deutschland umfangreiche Dossiers zusammen, mit denen sie die Kreditausfallwahrscheinlichkeit für eine Person zu berechnen behaupten, und sie verkaufen diese Daten für großes Geld an Kreditgeber. Falls das Projekt von HPI und Schufa herausfindet, dass genau das auch mit öffentlich verfügbaren Daten mit einer sinnvollen Trefferwahrscheinlichkeit getan werden kann, ist die Schufa erledigt, denn dann ist ihre Geschäftsgrundlage nichtig.» Die Schufa ist nur unwesentlich beliebter als die GEZ oder Fußpilz, aber wer sich an dieser Stelle freut, freut sich eventuell zu früh. Darauf weist Köhntopp hin: «Falls das genannte Projekt erfolgreich ist, dann kann das mit 2012 -Technik und Netzwerk jeder institutionelle Investor machen, also jede mittelständische Firma, jeder Konzern, und auch jede Zelle der Yakuza. Die Daten sind öffentlich herunterladbar, das ist genau der Punkt, um den es geht, und die Technik ist Open Source, ein wenig Statistik und ein wenig Consulting. Und wo die dann überall läuft, wird bei keinem Datenschützer in Schleswig-Holstein oder sonst wo auf der Welt nachgehalten.» Die Schufa selbst allerdings wird vorerst die Daten aus sozialen Netzwerken nicht auswerten, denn das Forschungsprojekt wurde nach heftigen Protesten schon ein paar Tage nach seinem Bekanntwerden wieder eingestellt.
    Googles «Project Glass» kündigt für 2013 eine Brille an, die ihrem Träger Informationen aus dem Netz zu allem Möglichen jederzeit ins Sichtfeld einblenden kann. Die neue Technik wird teuer und zunächst wenig verbreitet sein, sodass wenige Privilegierte (Gadgetfreunde, Flughafensicherheitsbeamte, Vorgesetzte) einen Informationsvorsprung vor dem Rest der Welt gewinnen. Dieser Informationsvorsprung existiert zwar auch jetzt schon, aber das konkrete Brillengerät wird die Tatsache neu ins Bewusstsein rufen. Dazu kommt ein Beigeschmack von
unsichtbarer Gefahr
– nur der Träger sieht, was eingeblendet wird. Das Konzept erinnert an die bisher Mythos gebliebene «Brille, mit der man seine Mitmenschen nackt sehen kann» [76] . Wer versucht hätte, sich absichtlich eine Neuerung auszudenken, die die maximale Menge verstörter Kommentare nach sich ziehen wird, wäre wohl genau bei «Project Glass» gelandet. Rascher Reichtum winkt dem ersten Anbieter, der eine Digitale Burka auf den Markt bringt.
     
    Bereits in der Erprobung sind Drohnen, deren Einsatz durch Staatsorgane in Deutschland 2012 erlaubt wurde. Ausgerüstet mit allen denkbaren Sensoren, fliegen sie einigermaßen lautlos und je nach Höhe nur schwierig sichtbar über die Landschaft und zeichnen alle Daten auf, die ihnen in die Quere kommen. Bei einer ausreichend großen Anzahl von Drohnen ergibt sich so ein fliegendes Überwachungsnetz in Echtzeit, inklusive Ton- und Kameraaufzeichnung, Big Brother mit Flügeln auf Speed. Spätestens wenn solche Drohnen zum Alltag werden, dürfte die öffentliche Datenschutzdebatte etwas wegoszillieren von sozialen Netzwerken, in die die Leute ihre Daten immerhin halbwegs freiwillig einstellen.
    Tatsächlich aber haben sich sowohl die Gesetze wie auch die öffentliche Haltung zu Privatsphäre und Datenschutz immer wieder mit den jeweils neuen Technologien verändert. Samuel Warren und Louis Brandeis publizierten in der angesehenen Rechtszeitschrift
Harvard Law Review
einen Artikel über die «Sofortfotografie». Sie sahen darin eine technologiegetriebene Verletzung der Privatsphäre, ihre Einschätzung löste eine große Diskussion aus. Das war im Jahr 1890 , und diese Debatte trug erheblich zur Entstehung des modernen Datenschutzes bei. Gerade die Fotografie hat später immer wieder zu gesetzlichen Einschränkungen der Privatsphäre und des Datenschutzes geführt. Denn schnell wurde klar, dass in einem Sportstadion Fotos praktisch unmöglich wären,

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