Internet – Segen oder Fluch
öffentlich-rechtliche Rundfunk finanziert wird, Verwertungsgesellschaften wie die GEMA und die VG Wort, die unter anderem Geld aus Abgaben beim Handel mit Kopierern, Druckern, Faxgeräten, Leermedien und Smartphones bekommen. In allen Fällen lindern die Pauschalabgaben das Problem, dass man ohne ein stalinistisches Überwachungssystem nicht kontrollieren kann, wer was im Copyshop auf den Kopierer legt. Da liegt es nahe, so etwas auch im digitalen Bereich einzuführen.
Die Kulturflatrate fußt auf der Annahme, dass Filesharing ausschließlich entgangene Verkäufe bedeutet, keine positiven Effekte mit sich bringt und deshalb ausgeglichen werden muss. Die Nutzer hätten das Heruntergeladene also sonst gekauft (anstatt es zu ignorieren), und ihre Kopiertätigkeit dient auch nicht der Werbung, ist also nicht etwa – wie Neil Young Anfang 2012 auf einer Konferenz sagte – das neue Radio. Teilt man diese Ansicht, dann müssten die Urheber für diese unbezahlten Downloads entschädigt werden. Das Hauptproblem des Flatrate-Konzepts ist, dass das so eingenommene Geld irgendwie verteilt werden muss. An wen und nach welchem Schlüssel soll das geschehen? Erstens müsste man dazu genau benennen, wer ausschüttungsberechtigt ist, also als Urheber gilt. Was ist mit Spieleentwicklern, Bloggern, Hobbyfotografen? Auch die Pornoindustrie klagt über illegale Downloads und würde mit Sicherheit verlangen, an den Kulturflatrate-Einnahmen beteiligt zu werden.
Zweitens wäre es ungerecht, dem Urheber eines lustigen Katzenvideos am Jahresende denselben Anteil auszuhändigen wie dem Autor einer Opernpartitur. (Auf welche Art es ungerecht wäre, ist ebenfalls strittig: Was, wenn das Katzenvideo von zwei Millionen gesehen, die Oper aber von immerhin achtzig Menschen besucht wurde?) Man müsste also festlegen, wie viel vom Geld auf welche Werksarten verteilt werden soll – aber auf welcher Basis? Soll man den Arbeitsaufwand zugrunde legen? Die relative Beliebtheit von Oper und Katzenvideo? Einen bestimmten Kulturbegriff? Irgendein Gremium wird darüber entscheiden müssen.
Als Nächstes braucht man innerhalb dieser kulturellen Ausdrucksformen einen Schlüssel, nach dem das Geld den einzelnen Urhebern zukommt. Dazu kann man entweder auf der Downloadseite – flächendeckend oder in Stichproben – erfassen, was alles heruntergeladen wird, oder auf der Nutzerseite erheben, was gehört und gesehen wird. Beide Verfahren sind leicht zu manipulieren, und bei allen Urhebern und Verwertern, die größere Ausschüttungen zu erwarten haben, geht es bei so einer Manipulation um viel Geld. Eine Erhebung von Stichproben wie etwa bei der Fernsehquotenmessung würde ebenfalls nicht ohne weiteres funktionieren. Sie funktioniert beim Fernsehen, weil dort die Auswahl überschaubar ist. Im Internet gibt es aber so viele unterschiedliche Angebote, dass Nischenprodukte bei einer Stichprobenerhebung zwangsläufig schlechter wegkommen würden als der Mainstream.
In jedem Fall könnte nur eine Minderheit der Urheber von der Kulturflatrate leben. Für alle anderen gilt: Wenn es schlecht läuft, machen sie sogar Verlust, weil sie bei der Ausschüttung zu wenig berücksichtigt werden und gleichzeitig die kommerziellen Einnahmen wegbrechen. Warum sollte ein Fan noch Geld für Musik ausgeben, wenn er über die Kulturflatrate bereits bezahlt hat?
Ein weiteres Problem: Die Gesamtsumme des an die Urheber ausgeschütteten Geldes bleibt immer gleich. Auch wenn ein neues Kulturprodukt erfunden wird, das wie Erdbeerkuchen schmeckt und wie LSD wirkt, sodass die Bevölkerung flächendeckend alle anderen Freizeitbeschäftigungen fallenlässt und sich dem neuen Ding widmet, ändert sich die Gesamthöhe der Ausschüttung nicht. Ebenso wenig wie im umgekehrten Fall: Das Jetpack gelangt endlich zur Marktreife, die Bundesbürger verbringen ihre Freizeit mit Herumdüsen. Oper, Theater, Kino, Buch, Fernsehen und Internet liegen nur noch verstaubt herum, aber die Ausschüttung an die Urheber bleibt gleich.
Und schließlich ist zu bedenken, dass bereits die GEMA wegen ihrer Quasimonopolstellung und der Intransparenz ihrer Verteilungsschlüssel ungefähr so beliebt ist wie die mexikanische Drogenmafia. Zwar müsste eine Kulturflatrate nicht zwangsläufig ein weiteres bürokratisches Monster ins Leben rufen, die Wahrscheinlichkeit ist aber auch nicht ganz gering.
Alle diese Einwände betreffen nur den Urheber in uns allen. Aus Nutzersicht könnte man die Kulturflatrate einfach
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