Internet – Segen oder Fluch
ignorieren und hat seine Ruhe. Abgesehen davon, dass sie natürlich bezahlt werden muss. Und zwar von allen, auch denen, die von ihrem Internetanschluss nur einmal die Woche eine E-Mail verschicken. Außerdem müssen Opernfans die Katzenbilder mitfinanzieren und umgekehrt, worüber sich neues Murren erheben wird. Wenn auch immerhin leiseres als über den derzeitigen Zustand.
Die privatwirtschaftliche So-was-Ähnliches-wie-Kulturflatrate
Eintrittswahrscheinlichkeit: Ist irgendwie schon da
Immer mehr Anbieter schließen Verträge mit Unternehmen der Musik-, Film- oder Buchbranche und führen Abo-Gebühren für umfassende Streamingdienste ein. Zum Entstehungszeitpunkt dieses Buchs kostet im englischsprachigen Raum eine Netflix-Monatsflatrate für Filme um die sieben Euro. Ähnliches zeichnet sich etwa mit Spotify und Simfy für Musik und mit Skoobe sogar für deutschsprachige Bücher ab. Im Vergleich zur Kulturflatrate hat diese Version den Vorteil, dass sie ohne zentralen Verwaltungsapparat auskommt. Auch der Verteilungsschlüssel ist in diesem Fall kein Problem, da die Anbieter genau wissen, welcher Film wie oft gesehen, welches Buch gelesen und welcher Track wie oft gehört wurde. Wenn der Kulturkonsum insgesamt wächst oder zurückgeht oder neue Formate auftauchen, spiegelt sich diese Entwicklung unmittelbar im System wider, ohne dass zuerst ein zentrales Gremium davon überzeugt werden muss, dass Luzides Co-Träumen jetzt auch Kunst ist, während Filme niemanden mehr interessieren.
Ein Nachteil an dieser Entwicklung: Es ist schon schwierig genug, Einfluss auf das Geschäftsgebaren eines Staats oder einer Verwertungsgesellschaft zu nehmen, und als Nutzer eines Unternehmens hat man sogar noch etwas weniger Mitspracherecht. Künstler wären diesen Anbietern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, was insbesondere dann problematisch ist, wenn wenige Unternehmen einen Großteil des Marktes unter sich aufteilen. Je mehr Geld ein Unternehmen freiwillig an Urheber ausschüttet, desto weniger Gewinn bleibt übrig – ein klassischer Interessenkonflikt, der schon bisher eher nicht zu glitzerndem Wohlstand bei Ottonormalurhebern geführt hat. Bei Musik-on-Demand-Angeboten regelt ein Rahmenvertrag zwischen der GEMA und BITKOM [91] , dass den Rechteinhabern schmalhansige 10 , 25 Prozent der durch Download, Streaming oder Werbung erzielten Einnahmen zustehen.
Allerdings ist der Unterschied zwischen der Machtposition eines Wirtschaftsunternehmens und der eines Verwertungsunternehmens in der Praxis gering. Es steht den Unternehmen frei, ihre Ausschüttungsschlüssel exakt so kompliziert und intransparent zu gestalten wie die der GEMA oder der VG Wort: «Das Ausschüttungs- und Bezahlsystem von last.fm ist jenseits jeder Begreifbarkeit. (Wenn Sie es mir erklären können, kontaktieren Sie mich umgehend)», schreibt der Journalist David McCandless. Auch die GEMA ist rechtlich gar nicht verpflichtet, überhaupt Geld an Künstler und Veranstalter auszuschütten. Zu diesem Schluss kam das Landgericht München im Jahr 2010 : «Ein etwaiger Zahlungsanspruch ergibt sich nicht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Berechtigungsvertrag». Und 2012 kündigte die GEMA eine Tarifreform an, die für einige Veranstalter Erhöhungen der Abgaben von durchschnittlich 400 bis zu 1400 Prozent mit sich bringen wird.
Wie die Kulturflatrate ist auch diese Lösung für die Nutzer attraktiver als für die Urheber. Bei last.fm oder Spotify müssen Musiker – soweit sich das trotz der intransparenten Ausschüttungsverfahren überblicken lässt – zwischen 1 , 5 und vier Millionen Mal im Monat gespielt werden, um auch nur auf den amerikanischen Mindestlohn von 1160 Dollar zu kommen [92] . Befürworter des Modells wenden ein, Streaming vermindere die traditionellen Verkäufe nicht, diese Einnahmen seien also der Zuckerguss auf dem Kuchen. Kritiker halten dagegen, dass es momentan eine allgemeine Bewegung weg vom Besitz und hin zum Zugang gibt. In wenigen Jahren werde die mobile Internetabdeckung so gut sein, dass eine breite Konsumentenmehrheit Streamingdienste im Alltag einsetzt. Wozu dann noch CD s oder Bücher kaufen, wenn die monatliche Flatrate einen mit allem versorgt?
Besseres Urhebervertragsrecht
Eintrittswahrscheinlichkeit: Nur wenig höher als eine feministische Piratin als Bundeskanzlerin
Vielleicht müssen Kreative ja nur einfach angemessener für ihre Arbeit bezahlt werden. Ein wenig erfolgreicher Versuch in diese
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